Sehr geehrte Frau Schuster,
Sie haben mit ihrer offenen medialen Art viel dazu beigetragen, dass die Thematik Autismus und Asperger Syndrom von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir begrüßen, dass Sie auch auf Ihrer Homepage versuchen mit gängigen Klischees und Vorurteilen über Autismus aufzuräumen. Sie schreiben auf Ihrer Homepage:
„Ich habe als Jugendliche die Diagnose Asperger-Autismus erhalten und setze mich seither für Menschen mit Autismus ein. Gegen die vielen Vorurteile in der Gesellschaft möchte ich ankämpfen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die offener ist für Menschen, die wie viele Asperger-Autistin, ein bisschen anders sind.“
Ich denke hier gibt es weder Kritik noch wird Ihnen jemand ernsthaft widersprechen. Im Gegenteil: Man muss sich freuen, dass es Autisten gibt die die Stärken Ihrer persönlichen Kommunikationsfähigkeiten nutzen um sich für andere Autisten einzusetzen.
Ein anderes wirklich bedeutendes Zitat von Ihrer Homepage sagt:
„Autismus macht vieles schwerer. Er darf aber nie ein Grund sein, aufzugeben.“
Dem können sicher die meisten Autisten zustimmen.
Nun hat eine gewisse mediale Präsenz und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit auch Nachteile. Man wird schnell selbst zu einem Muster für das wofür man steht und jedes Wort wird umso gewichtiger genommen.
Umso unverständlicher ist es wenn Sie schreiben:
„Als Autistin bezeichne und fühle ich mich nicht mehr. Diagnosen können zwar einem helfen, ein Stück seins Lebenswegs zu bewältigen. Sie sollten aber nie als unabänderliches Schicksal aufgefasst werden.“
Hierzu möchten die Unterzeichner dieses offenen Briefes folgendes anmerken:
1) Es entsteht der Eindruck, dass Autismus geheilt werden kann. Autismus kann nicht geheilt werden, und selbst wenn dies möglich wäre würden viele Autisten es gar nicht wollen.
2) Es entsteht des Weiteren der Eindruck, dass man seinen Autismus besiegen bzw. überwinden kann. Auch dies kann fatale Folgen für Autisten haben! Anstelle der von Ihnen angestrebten Offenheit gegenüber Autismus erreichen Sie hier eher den Trend zum Satz „Stell dich nicht so an, Autismus kann man überwinden!“ Es sollte mehr reflektiert damit umgegangen werden, Autismus ist nicht nur von Nachteilen begleitet. Man sollte den Autismus nicht überwinden, sondern damit umgehen lernen.
3) Sein Leben als Autist zu meistern bedeutet nicht das man sich seinem unabänderlichen Schicksal hingegeben hat! Man kann auch indem man zu seinem Autismus steht, stetig daran arbeiten besser damit umzugehen.
4) Wenn Menschen die mit Ihrem Autismus gut zurechtkommen diesen verleugnen bzw. in den Hintergrund drängen entsteht ein falsches Bild von Autismus! Wir denken das sie als Vorbild viel mehr erreichen könnten in dem sie sagen „Ich bin Autist, aber schaut, man kann damit Leben“ Meinen Sie nicht, dass eine erfolgreiche Autistin in der Öffentlichkeit mehr für Autismus bewegen und erreichen kann als jemand der nun sein Leben erfolgreich lebt aber die Bezeichnung „Autist“ ablegt? Es geht nicht darum stolz auf den Autismus zu sein, aber zu zeigen das man auch mit Autismus und dem gleichzeitigen offenen Bekenntnis „Ich bin Autist!“ der Gesellschaft zeigen kann: Autismus kann auch etwas positives sein!
Wir würden uns freuen, von ihnen zu hören und wenn sie über die Wirkung dieser Aussagen von ihnen nachdenken würden.
Gezeichnet
Querdenkender, Hawkeye, fotobus (alle Autisten) und alle die diesen Beitrag unterschreiben
Nachtrag: Auch wenn das eventuell an anderer Stelle so interpretiert wurde, kritisieren wir nicht Nicole Schusters Entscheidung, sondern die mögliche Wirkung der Aussage auf andere Menschen.
Wer diesen Brief mit zeichnen möchte kann gerne einen Namen und ggf. einen Link in den Kommentaren hinterlassen.