Author: Gastautor

Gastbeitrag: Eine Diagnose ist kein Schimpfwort

Der folgende Text ist ein Gastbeitrag von Sophia. Sie ist Asperger-Autistin und 18 Jahre alt. Wenn Sie nicht grade Gastbeiträge für mich schreibt, studiert sie.


Zur Zeit ist es eine meiner Hauptbeschäftigungen, andere Menschen – vor allem auf Twitter – darauf hinzuweisen, dass die Verwendung des Begriffs „Autismus“ als Beleidigung die Betroffenen verunglimpft. Leider reichen die 140 Zeichen meistens nicht aus, um zu erklären, warum genau ich und viele andere Autisten uns dadurch beleidigt fühlen, daher tue ich das nun an dieser Stelle. Aber um meinen und den Ärger vieler anderer Betroffener zu verstehen, muss man erst mal wissen: Was ist eigentlich Autismus?

Vereinfacht gesagt ist Autismus eine andere Art der Wahrnehmung, bei der die Betroffenen Probleme damit haben, nonverbale Signale wie Mimik, Gestik oder Tonfall richtig zu interpretieren. Normalerweise funktioniert das ganz automatisch, ohne dass man darüber nachdenken muss. Anders bei Autisten: All diese Dinge müssen mühsam erlernt werden. Da aber ein großer Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation nonverbal erfolgt, kommt es häufig zu Missverständnissen. So erhält der Satz „Das hast du aber toll gemacht“ je nach Betonung und Gesichtsausdruck eine ganz andere Bedeutung. Betroffene haben durch diese Kommunikationsprobleme häufig Schwierigkeiten, sich in Gruppen zu integrieren und Kontakte zu knüpfen, viele gelten als „Sonderlinge“.

Was ist nun das Problem, wenn der Begriff „Autismus“ als Synonym für arrogantes oder selbstbezogenes Verhalten verwendet wird? Wie bereits beschrieben, haben Betroffene häufig  soziale Schwierigkeiten. Das heißt aber nicht, dass sie kein Interesse daran hätten, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten – sie wissen halt nur nicht, wie das funktioniert. Viele Autisten investieren jedoch große Mühen darin, sich so normal wie möglich zu verhalten und nicht anzuecken. Autisten leben eben nicht in ihrer eigenen Welt und anders als vielfach angenommen sind sie durchaus zu Empathie fähig.

Daher ist es falsch, Autismus mit Arroganz und asozialem Verhalten gleichzusetzen. Wer also – und das muss ja nicht einmal böswillig gemeint sein – Autismus als Synonym für eben jene Eigenschaften verwendet, erzeugt ein falsches und negatives Bild davon, was Autismus ist und trägt zu einer Stigmatisierung der Betroffenen bei. Bitte lassen Sie es also. Danke.

 

Rühr mich nicht an!

Der nachfolgende Text ist ein Gastbeitrag, der sich mit den subjektiven Eindrücken und Erfahrungen von Sexualität im Kontext von Autismus befasst. Diese Erfahrungen sind keineswegs prototypisch für alle Autisten, sondern zeigen lediglich eine Möglichkeit auf. Der Text enthält Erwähnungen von BDSM.

Die Autorin (Name dem Redakteur bekannt) ist selbst Autistin und in ihren 20ern.

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Sophia – Mein Autismus in 500 Worten

Schon früh habe ich gemerkt, dass ich irgendwie anders bin als andere. Dieses Gefühl des Andersseins, des Sich-fremd-Fühlens zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Mal stärker, mal weniger stark, aber doch irgendwie immer vorhanden. Im Laufe der Jahre und auch mit therapeutischer Hilfe lernte ich zwar, wie soziale Interaktion funktioniert und inzwischen kann ich sogar von mir aus Kontakte zu anderen Menschen knüpfen. Doch so richtig „zu Hause“ fühle ich mich selbst in dem Freundeskreis, in welchem ich seit zwei Jahren festes Mitglied bin, noch immer nicht. Vielleicht auch, weil es sich für mich noch immer seltsam anfühlt, überhaupt so etwas wie Freunde zu haben. Für mich ist das nicht selbstverständlich, sondern ein Luxus. Es ist nicht so, dass ich vorher nie Freundschaften gehabt hätte, aber es war immer mit großen Mühen verbunden, diese aufrecht zu erhalten und so verliefen sie alle -mal nach kurzer, mal nach längerer Zeit- im Sand. Insofern bedeutet der Freundeskreis, in welchem ich zurzeit integriert bin, ein großes Glück für mich, auch wenn ich mich dort, wie gesagt, immer noch etwas fremd fühle.

Im Herbst fange ich an zu studieren, darauf freue ich mich, habe aber auch Angst. Einerseits bedeutet das Studium wieder mehr Struktur, klar definierte Aufgaben und allgemein ein strukturierter Tagesablauf. Im Moment befinde ich mich in diesem „Schwebezustand“ zwischen Abitur und Studium und die fehlende Tagesstruktur macht mir zu schaffen. Außerdem kann ich im Studium meine Stärken sehr gut einbringen: Autismus wird in den meisten Fällen über Defizite definiert, es gibt aber auch Dinge, die Autisten (häufig) besonders gut können. So habe ich beispielsweise ein sehr gutes Gedächtnis und kann Texte schnell und detailliert erfassen, was im Studium sicherlich von Vorteil sein wird.

Andererseits ist eine Universität natürlich viel größer als eine Schule, dort arbeiten sehr viel mehr Menschen, was mehr Lärm und somit Stress für mich bedeutet. Ich bin sehr geräuschempfindlich, immer, wenn ich unterwegs bin, und sei es auch nur ein Einkauf, brauche ich danach einige Zeit, in der ich alleine in meinem Zimmer bin, die Augen geschlossen habe und einfach nur die Stille genieße. Gerade auch, wenn zu der Reizüberflutung auch noch die Anstrengung durch eine längere soziale Interaktion hinzukommt, bin ich beim Nachhausekommen häufig kaum noch in der Lage zu sprechen und brauche diese Pausen. Vermutlich verbringe ich also überdurchschnittlich viel Zeit alleine in meinem Zimmer, das finde ich aber in Ordnung, da es einen notwendigen Ausgleich für mich darstellt.

Ich glaube, dass es im Leben genau darum geht: Einen Ausgleich zu finden zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen, die das Leben nunmal stellt und die jeder erfüllen muss, damit eine Gesellschaft funktioniert.

Ich glaube, wenn man genau diesen Ausgleich schafft, kann man glücklich werden, egal ob mit oder ohne Autismus.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du auf dieser Seite.

Sophie ist Asperger-Autistin und 18 Jahre alt. Wenn Sie nicht grade Gastbeiträge für mich schreibt, beginnt diesen Herbst mit ihrem Studium.

Tageshauscaos – Mein Autismus in 500 Worten

Was macht meinen Autismus aus? Das ist eine sehr gute Frage, denn eigentlich weiß ich es nicht.
Ich weiß, dass ich vor meiner Diagnose ziemlich heftige Probleme hatte, wo niemand wirklich wusste wo die herkamen.
Daher war meine Diagnose für mich eher eine Art Erklärung, eine Erklärung für mein Sein und für meine Probleme, die ich mit meiner Umwelt ständig hatte.
Endlich erklärte mir mal jemand, warum und wieso das alles so ist.
Und eigentlich war es seitdem gar nicht mehr so schlimm.
Eine Begründung hatte ich ja nun, endlich hörten die Vorwürfe auf, ich könnte ja nichts und wäre nur faul. Nein, nun konnte jeder, der es wollte, schwarz auf weiß auf meinem Diagnosezettel lesen, dass ich nicht faul oder dumm sei.
Das tat meinen Selbstbewusstsein total gut.
Denn dieses war zum Schluss nicht einmal mehr vorhanden, ich bin herum geschubst worden und fühlte mich meistens wie die Kugel in einem Flipperautomaten. Kein schönes Gefühl.
Doch nach der Diagnose änderte sich das ein wenig, ich konnte endlich Stopp sagen und meine Grenzen endlich einhalten, das ging, weil ich ab da an meine Eigenheiten begründen konnte.
Ich habe da auch das erste Mal erfahren, dass es nicht nur negative Eigenschaften beim Autismus gibt, sondern auch sehr positive, und seitdem versuche ich diese Seiten von mir zu stärken.
Eigentlich gelingt mir das im Moment erstaunlich gut.
Ich habe auch viele neue Freunde gewonnen, ich hatte nicht mehr daran geglaubt. Doch unter meinesgleichen, den Autisten, musste ich feststellen, dass ich sehr wohl im Stande dazu bin, Freundschaften zu haben. Und darüber freue ich mich am meisten. Auch wenn die meisten leider viel zu weit weg wohnen und mich das sehr an das Internet koppelt.
Aber die Freude über diese Leute überwiegt viel mehr, da macht es mir auch nichts, bei manchen Ärzten als internetsüchtig beschrieben zu werden.
Mittlerweile gibt es auch Offline-Besuche, und die finde ich jedes mal total klasse.
Nächste Woche zum Beispiel, da treffe ich mich mit Realitätsfilter, und das Offline. Ich freue mich schon wahnsinnig da drauf.
Ich glaube, das hat sich am meisten geändert, von jemandem, der nirgends auffiel und von dem auch niemand Notiz nahm zu jemandem, der rausgeht, um sich mit Freunden zu treffen.
Meine Freunde sind alle anders … und ich bin mächtig stolz darauf. 😉

Ich glaube endlich an mich und weiß, dass es Sachen gibt, die ich wohl nie können werde, aber ich lerne, damit zu leben, denn diese Situationen wird es immer für mich geben, ich kann sie nicht ändern. Und wenn man was nicht ändern kann, sollte man das Beste daraus machen.
Man sieht meinen Autismus, ok, dann sieht man ihn halt.
Ich wachse mit jedem Tag, und das auch dank der Leute, die mich tagtäglich unterstützen.
Vielen lieben Dank dafür.
Das ein oder andere Buch würde ich gerne noch schreiben. Viel Zeit mit meinen Freunden verbringen und das Leben abseits des Normalen einfach genießen.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du auf dieser Seite.

Samantha Becker ist eine 33 jährige Asperger-Autistin.
Viele kennen sie schon, von der Seite AutiCare.de, wo sie als Vereinsvorsitzende tätig ist. In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit anderen Autisten und Autistinnen und reist gerne quer durch Deutschland.

sr4as – Was bleibt einem übrig, als das Beste daraus zu machen?

Was war

Anfang 30 wurde bei mir Asperger diagnostiziert. Mal lapidar und kurz erzählt: das Leben davor war geprägt von Schwierigkeiten mit Menschen in Kontakt zu treten, andere zu verstehen, Freunde zu finden, in Gruppen zurechtzukommen. Mein einseitiges Interesse begann mit ca. 8 Jahren, und hat sich bis heute nicht geändert. Freunde und Verwandte haben massenhaft Sprüche wie „er war schon immer eine Person für sich“.

Es ist schon der Hammer, dass mein Hirn mir bauartbedingt ein soziales Verhalten aufzwingt, welches oft inkompatibel ist mit der Norm in der Gesellschaft. Endgültig akzeptiert hatte ich die Diagnose, als selbst meine Mutter zugab, dass sie relativ früh merkte, ich sei anders als andere Kinder.

Das Leben war schwierig, voller Zweifel, Einsamkeit, mal gab ich anderen die Schuld, mal mir selbst, mal den Umständen, mal gab ich alle Hoffnung auf, nur um wieder aufzustehen und weiter zu machen.

Autismus nimmt einem viele Dinge. Gleichzeitig weiß ich auch, dass ich anderen vieles genommen habe. Allen voran meinen Eltern. Ich glaube, Eltern leiden am meisten, wenn ihnen das Kind keine Liebesbezeugung gibt. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich sie zuletzt umarmt habe. Auch „neue“ Familienmitglieder haben Schwierigkeiten. Meine Mutter wies mich explizit daraufhin hin, der Schwägerin das Gefühl zu geben, willkommen zu sein.

Was ist

Geändert hat sich nach der Diagnose nichts. Das Allein sein macht mir zu schaffen. Andererseits: zu viel Zusammensein lässt mich am dritten Tag unerträglich werden. Ich lebe Undercover und meide Diskussionen über Privates.

Das Leben wäre schöner ohne Asperger. Für mich, die Familie, einen Lebenspartner, die Freunde. Aber die Dinge sind, wie sie sind.

Was wird

Mein Spezialinteresse ist mein Lebensinhalt. Es ist nebenbei auch sehr gefragt in der Gesellschaft, was mir ein äußerst angenehmes Leben beschert. Meine Fähigkeiten hatten mir schon einen Führungsposten in einem Konzern eingebracht, eventuell wäre eine Karriere möglich gewesen. Die träge Art, in der Konzerne zu leben pflegen, verträgt sich aber nicht mit meiner Besessenheit in diesem Thema.

Als theoretischer Menschenfreund, will ich meinen positiven Beitrag in der Gesellschaft leisten. Ich habe eine Firma gegründet, die ich langsam etabliere und aufbaue. Wieso sollte ich Erfolg haben? Viele Gründer scheitern, selbst wenn sie nicht mit den Defiziten von Asperger geschlagen sind. Vielleicht habe ich Erfolg, weil ich gerade durch meine Zurückgezogenheit und Besessenheit in jedem Problem weiter kommen kann als andere (und zumindest von meinem Wissen weiter gekommen bin, wenn man den Wertungen meiner früheren Vorgesetzten und Kunden trauen darf). Vielleicht, weil die Defizite von Asperger belanglos sind, wenn die Kacke am Dampfen ist und die Kunden dringend die Lösung für ein Problem brauchen.

Die Gesellschaft ist eine amorphe und heterogene Struktur, mit vielen kleinen unterschiedlichen Stellen, in die man vielleicht reinpasst. Mein Ziel ist meine Stelle zu finden, meine Arbeit zu verrichten, und meinem Leben und meinen SI so einen Sinn zu geben.

Zuletzt…

Asperger ist für mich der Frieden, den ich mit der Gesellschaft und dem Leben geschlossen habe. Niemand trifft eine Schuld, niemand hat sich falsch verhalten. Es ist gut.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

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sr4as ist Mitte 30, lebt im Süden Deutschlands und twittert unter selbigem Synonym.

bestOfCrumbs – Mein Autismus – oder: Ich möchte nicht tauschen

Mein Autismus ist immer in mir, bei mir, um mich herum. Mal stärker, mal schwächer. Aber er ist immer da und macht einen Teil meines Wesens aus. Die Art wie ich denke, wie ich wahrnehme ist von ihm geprägt. Mein Urbedürfnis ist es alleine zu sein, dann kann ich mich erholen, nehme meinen Körper war. Immer möchte ich nicht alleine sein, ich brauche den Kontakt zu den Anderen, aber nicht viel. Es gut wenn sie da sind und mich in Ruhe lassen. Sie nehmen mich als freundlichen, aufmerksamen, humorvollen und distanzierten Menschen war. Mit den Anderen in Kontakt zu treten ist jedes Mal eine neue Hürde, eine Herausforderung und oft nicht möglich. Es ist einfacher mit den Anderen die mir nahe sind, die ich mag. Aber auch bei ihnen brauche ich Aufwärmzeit, bin ich vorsichtig. Ich konzentriere mich auf das Gesagte, nehme die Mimik teilweise, den Ausdruck der Augen gar nicht war. Das macht es für mich schwierig, das Gesagte einzuordnen: War es ernst gemeint? War es ein Witz? Oder eine doppeldeutige Bemerkung? Was muss ich jetzt sagen? Mein Hirn arbeitet konstant im Überforderungsmodus. Humor und Ironie habe ich im Laufe des Lebens gelernt zu verstehen und benutze sie gerne. Bei unbekannten Anderen brauche ich lange, bis ich verstehe was und wie etwas gemeint ist.

Über meine Gefühle, Emotionen und Gedanken kann ich kaum reden, das ist kompliziert: Zuhören, verstehen, Antwort überlegen, reden. Das läuft oft parallel und blitzschnell bei den Anderen, ich kann das nicht. Ich höre zu. Pause. Ich versuche zu verstehen. Pause. Ich überleg mir eine Antwort. Pause. Jetzt rede ich, aber nur, wenn ich eine Antwort habe und ich wirklich reden kann. Gefühle und Emotionen die gleichzeitig durcheinander durch meinen Körper schleudern halten mich vom Reden ab. Bei Streit, wenn ich verletzt bin (sofern ich das merke), bei Pöbeleien oder bei Stress ist die Verbindung vom Hirn zum Mund unterbrochen. Ich kann dann nicht reden, schon gar nicht schlagfertig sein. Eine Antwort fällt mir dann Stunden oder Tage später ein, viel zu spät.

Schreiben geht besser, nicht einfach so, ist ein hartes Stück Arbeit aber ich habe genügend Zeit zu überlegen, die Sätze zu bauen und aufzuschreiben. Niemand von den Anderen steht oder sitzt in der Nähe und wartet.

Mein Autismus macht mich empfindlich. Geräusche sind oft laut oder störend, vor allem, wenn viele gleichzeitig sind. Das Licht, speziell die Sonne, ist zu hell. Berührungen am Körper erschrecken mich oder schneiden mir die Luft ab und lösen innerliche Fluchtwünsche aus. Direkten Augenkontakt mit den Anderen meide ich, das ist sehr unangenehm und schmerzt.

Überwindung gehört zum Alltag: Die öffentlichen Verkehrsmittel in den Stosszeiten benutzen, Auto fahren, telefonieren (wenn es nicht anders geht), an Sitzungen gehen, Unterbrechungen ertragen, Small-Talken, den Tag organisieren, die Anderen an mich heran lassen und verstehen versuchen.

Ich bin zufrieden mit mir selbst, ich bin gerne mit mir alleine, kann mich wunderbar mit mir beschäftigen. Tauschen möchte ich mit niemandem, schon gar nicht mit den Anderen.


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bestOfCrumbs (= aus Krümmeln das Beste machen) lebt und arbeitet in der Schweiz, ist verheiratet hat Kinder. An der Arbeit versucht er täglich, das Chaos in Datenbanken zu bändigen und seinen Kunden verständliche Reports zu liefern. Er liest sehr gerne oder programmiert zwischen durch mal etwas sofern es die Zeit erlaubt.
Außerdem ist er auf Twitter zu finden und bloggt.

Brln – Was bedeutet mein Autismus für mich?

Die Gewissheit, mich im autistischen Spektrum zu befinden, habe ich seit Januar diesen Jahres. Und es ist gut, diese Gewissheit zu haben. Das Wort Autismus gibt mir endlich eine Erklärung dafür, warum ich zu Teilen so bin, wie ich bin und warum ich mich häufig sehr fern von den Menschen um mich herum fühlte und fühle. Das Wort erklärt, warum ich immer wieder stolper und immer wieder stolpern werde. Dieses Wissen beruhigt, denn auf die Frage „Was ist bloß los mit mir?“ habe ich endlich eine Antwort. Und über diesen Umgang mit meiner Diagnose möchte ich schreiben, unabhängig davon, welche Schwierigkeiten mir mein Autismus Tag für Tag bereitet.

Ich habe durch die Diagnose „Autismus“ die Möglichkeit bekommen, mit mir sanfter umzugehen. Ich muss mich nicht dazu zwingen, mich in Situationen zu begeben, in denen ich wahrscheinlich eh nur scheitern würde. Doch natürlich hoffe ich auch, dass ich weiterhin genügend Ehrgeiz und Mut besitze, Neues zu wagen, nur halt mit dem nötigen Quäntchen Rücksicht auf mich selbst. Ich weiß, was gut für mich ist. Ich weiß, was schlecht für mich ist. Unter anderem durch die Diagnose ist mein Selbstwertgefühl in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Ich sehe, was ich trotz persönlicher Hindernisse alles geschafft habe und wie gut ich mich heutzutage in meiner Umwelt zurechtfinde im Gegensatz zu früher.

Ich könnte an dieser Stelle gefühlt tausende Beispiele für den Einfluss meines Autismus auf meinen Alltag geben. Ich werde mich auf das Folgende beschränken: Nach einem Jahr als Gastschülerin in den USA war ich längere Zeit ehrenamtlich für die Vor- und Nachbereitung von Gastschülern tätig. An der Arbeit gefiel mir, unter offenen Menschen zu sein. Mein eigenes Vorbereitungsseminar fühlte sich damals wie eine Offenbarung an, da dort intensiv über Theorien des menschlichen Miteinanders reflektiert wurde. Mein Teamerdasein war hingegen von Mittelmäßigkeit geprägt. Nach Seminaren war ich häufig emotional komplett ausgelaugt, von Selbstzweifeln aufgefressen. So sehr ich mich auch bemühte, den Draht zu meinen Seminarteilnehmern konnte ich nur selten finden. Ich hatte das Gefühl, ihnen nicht das geben zu können, was sie brauchten. Brach jemand in Tränen aus, so konnte ich das emotional nicht nachvollziehen, geschweige denn die Person in den Arm nehmen. Die Herzlichkeit, die die anderen Teamer ausstrahlten, vermisste ich bei mir. Dabei würde ich so gerne selber diese Herzlichkeit ausstrahlen können. Doch wirklich wohlfühlen tue ich mich nun mal in meiner kühlen, analytischen Sachlichkeit.

Die Erkenntnis, für etwas nicht geeignet zu sein, das man doch so gerne tut, schmerzt. Die Erkenntnis, warum ich immer wieder an meine Grenzen gestoßen bin, heilt nun ein wenig diese Wunde. Neben autistischen Defiziten wie geringe Empathiefähigkeit gibt es auch Kompetenzen. Und diese ergründe ich gerade. Mein Ziel ist es, ein zufriedene(re)s Leben zu leben. Sich selbst zu kennen ist dafür ein guter Anfang. In meiner ganz persönlichen Deutung steht „Autismus“ deshalb für Selbsterkenntnis. Schwere Zeiten liegen hinter mir. Schwere Zeiten werden kommen. Doch ich fühle mich zum jetzigen Zeitpunkt gestärkt für meinen Weg durch die Unwegbarkeiten meines Lebens.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

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Brln lebt am Wasser, ist 25 Jahre alt, weiblich und stolpert noch durchs Studium. Sie fühlt sich selber der Gruppe eher extrovertierer Autisten zugehörig, redet häufig viel zu viel und hat sich früher über jede 3 in Sport auf dem Schulzeugnis gefreut.

Wetter – Out of Space

Ich sage, ich höre dich schlecht, wenn ich anderen Menschen auf den Mund und nicht in die Augen schaue. Ich sage, ich hatte Migräne, wenn ich einen Overload hatte. Ich sage, da ist wer an der Tür, wenn ich keine Konzentration für ein Telefongespräch habe. Ich sage, es ist nicht mein Tag heute, obwohl ich immer schon nach einer Stunde ermüdet bin, auf Kneipentreffen. Ich behaupte, ich sei kurzsichtig, wenn ich jemanden nicht erkannt habe. Ich beteuere, dass ich viele Freunde habe. Ich sage, ich hätte einen Stein im Schuh, wenn ich hüpfen mag, stecke meine Hand in meine Umhängetasche, wenn ich mit den Fingern schnipse und tue so, als suche ich etwas. Ich suche nichts, ich verstecke.

„Wo ist sie, die Seele?“ Gibt es nicht nur Menschen mit Gehirnen und Nervensystemen? „Versteckt sie sich, die Seele? Sie ist ja so behindert.“

Versteckt wird er, mein Autismus, von mir. Er trennt mich von den anderen Menschen, von einem Teil von mir selbst, von der Welt.

Er ist geheim, aber nicht unsichtbar. Nenne ihn Schüchternheit, trockener Humor, Pokerface, Überheblichkeit, Hilfsbereitschaft, Loyalität, Unnahbarkeit, Ehrlichkeit, Genauigkeit, Naivität, Besserwisserei, Verzetteln, Langsamkeit, Absolutes Wissen, wenn du ihn siehst, meinen Autismus.

Ich möchte, dass es anderen Menschen gut geht und auch gut geht mit mir, wenn sie in meiner Gegenwart sind. Ich möchte in ihrer Gegenwart sein, mit anderen Menschen zusammenarbeiten, Ziele erreichen, richtig erfolgreich sein. Sie sollen mich annehmen, meine Fähigkeiten sehen, mich schätzen. Mich sehen.

Es sind die käfernden Wassertropfen, die auf dem Zweig am Wegrand hocken, die ich mit meinen Händen abstreife, von diesem kleinen Bäumchen, die ich durch meine Finger rinnen lasse, die nicht meine Seele sind, aber das, was man mir heute anbietet, wenn ein Sonnenstrahl noch darauf fällt.

Mein Autismus und ich, WIR sind out of Space.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

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Wetter ist 29 Jahre alt und lebt in Berlin