Roman Held – Was es für mich bedeutet, Autist zu sein

Eine Sache vorweg: Mal angenommen man trifft jemanden aus dem Internet, man fand sich schriftlich interessant und hat beschlossen, sich mal zu treffen. Schließlich ist es soweit und man steht am verabredeten Ort und wartet auf den Besuch. Mir geht dann nur eine Frage durch den Kopf und dort ist sie bereits seit der ersten Erwähnung eines Treffens und obgleich eigentlich keine große Sache, ich bin deshalb nervös und kann mich kaum konzentrieren und meine Hände schwitzen, denn:
Gebe ich zur Begrüßung nur die Hand, bleibe ich auf Distanz und sage Hallo und winke vielleicht, wird es ein Handschlag oder muss ich gar umarmen?

Kommt Dir das bekannt vor? Ja? Fein. Dann lass uns doch jetzt gleich und hier eine Sache absprechen, für den Fall, dass wir uns einmal schriftlich gut verstehen und beschließen sollten, uns zu treffen:
Händeschütteln genügt.

Also Hallo, mein Name ist Roman Held, ich bin 28 Jahre alt und seit etwas über einem Jahr diagnostizierter Autist. Und das bedeutet für mich vor Allem, irgendwie besonders zu sein. So wie in „Mein Sohn ist nicht verrückt, er ist besonders!“ oder in „Dass gerade Du eine so gute Note geschrieben hast, Roman, überrascht mich besonders.“ oder in „Und Du bekommst besonders aufs Maul, Du gottverdammter Freak!“. Besonders eben.
Bei meiner Konstruktion hatten ein paar schelmische Gene die witzige Idee, mal etwas Neues auszuprobieren und statt der Standard-Wahrnehmung die experimentelle Tochter des Unendlichen Unwahrscheinlichkeitsantriebs aus Douglas Adams Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ einzubauen, die so genannte Umständliche Unwahrscheinlichkeitswahrnehmung, ein unerschöpfliches Füllhorn an skurrilen Ideen, bizarren Einfällen und abstrakten Gedanken. Kurz gesagt: Ich bin kreativ durch Autismus. Das ist eine Stärke.
Andererseits hingegen bin ich zum Beispiel außerstande, 11 Monate alte Emails von Menschen, die mir wegen meines Blogs geschrieben haben, zu beantworten. Die warten immer noch in meinem Posteingang. Aus irgendeinem umständlichen Unwahrscheinlichkeitsgrund kann ich da einfach nicht ran. Als wären sie unerreichbar hinter Glas. Oder die drei verzweifelten Studienfachwechsel vor der letztendlichen Exmatrikulation, seit der ich ohne nennenswerte Aussicht auf Verbesserung meiner beruflichen Situation auf HartzIV angewiesen bin, die sind auch keine Stärken. Die Unfähigkeit, Kontakte zu anderen Menschen langfristig aufrechtzuerhalten. Die Schwierigkeit, mich durch fremde Umgebungen voller fremder, lauter, bunter Menschen zu bewegen. Die Angst, Smalltalk halten zu müssen oder die Panik, mit auf mich bezogenen Gefühlen Anderer konfrontiert zu werden. All diese Momente in der Interaktion mit anderen Menschen, die mir oft Probleme bereiten. Die sind keine Stärken.

Es ist dennoch eine Gabe, die Welt durch den autistischen Filter betrachten zu können, ebenso wie es oft eine Last ist, dass ich ihn nicht ablegen kann. Doch das ist so eine Selbsthilfegruppen-Aussage, nicht wahr?
Reden wir Klartext: Es ist hart. Und oft bin ich es leid. Und ich weiß nicht weiter und ich bin verzweifelt und ich stoße viel zu oft beim Versuch, einen Anschein von Normalität als Maske zu tragen, an die Grenze meiner Kräfte.
Dennoch, in meiner Wahrnehmung als Autist stecken für mich viel Schönheit und Trost, anders als alles, was ich unter und in meinen Mitmenschen finden kann. Ich nehme die Welt permanent als Sinnesflut an Interpretationen wahr. Mein Kopf malt unaufhörlich mit assoziativen Stiften über die Realität um mich herum und verwandelt sie in etwas Ungewöhnliches. Und das ist eine Fähigkeit, die ich sehr gern besitze und die ich nicht missen möchte.

Was mir fehlt ist ein Beruf, in dem ich sie nutzen kann.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus“.

Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du in diesem Artikel.

Roman Held lebt in Essen, er bloggt auf Alternativen und ist bei Twitter als @hoch21 bekannt.

29 thoughts on “Roman Held – Was es für mich bedeutet, Autist zu sein”

  1. acid

    Hallo Roman,

    danke für deinen Informativen Artikel, da folge ich dir doch gleich um so lieber 🙂
    Als AD(H)Sler kommt mir da einiges bekannt vor (das ist übrigens auch so ein Anders sein welches gerne als Krankheit bezeichnet wird).

    Ich drück dir ganz, ganz fest die Daumen, dass du bald was findest, wo du deine Begabung gut einsetzen und dieser Repressionsmaschine entkommen kannst!

  2. hoch21

    Hallo acid,

    ich kenne ADHS ebenfalls von mir. Die Diagnose hatte ich vor dem Autismus schon und sie ist auch geblieben. Bei mir geht eine Menge in einander über, doch beides ist sicher.
    Dass Beides als Krankheit bezeichnet wird, stört mich und ich wehre mich auch vehement dagegen. Es handelt sich ja nicht um Halsentzündung und Magengrippe. Auch Freunde und Eltern kommen mir immer mal wieder mit „Krankheit“.

    Danke!

  3. Helga

    Hey!
    Ich dachte immer, dass Autismus bedeutet, dass man gar nicht in Kontakt mit der Aussenwelt treten kann… Eine Cousine 2. Grades (daher heute kein Kontakt mehr leider) hat Autismus und ist seit der Kindheit in einem Heim! Sie sprach nie ein Wort! Ich sah sie zuletzt mit ca 6 Jahren, das ist 30 Jahre her! Du hingegen schreibst völlig normal und kommunizierst aus meiner (entfernten) Sicht doch völlig normal! Worin besteht die Ausprägung Deines Autismus? Ich bin z.B. Synestetikerin, das ist kein Autismus, aber eine Art die Welt zu sehen/erleben, wie es hauptsächlich kreative Menschen tun…und es wird als Begabung, nicht als Krankheit eingestuft! WAS also macht in Deinem Leben den Autismus aus?! Wieso wurdest Du darauf getestet? Woran merktest Du, dass etwas anders ist?! Ich bemerke gerade, dass ich ein völlig falsches Bild von Autismus habe! Und das würde ich hier nun gerne zurechtrücken… Quasie aus 1. Hand – durch Dich! – Ich bin 44, junge Mutter und Designerin…und sehr interessiert an all diesen Dingen! LG Helga

    1. Hawkeye

      Ich bin mal so frei zu antworten, obwohl ich diesen Text nicht verfasst habe.
      Das Bild, das du von Autismus hast, ist sehr verbreitet. Viele Menschen assoziieren Autismus immer noch mit Rain Man. Die Wahrheit ist, dass diese Form des Autismus, bei der man garnicht mit der Außenwelt in Kontakt treten kann, nur ein Extrem innerhalb des autistischen Spektrums ist. Viele Autisten wirken nach außen hin nicht so, als hätten sie auch nur annähernd was mit Autismus zu tun. Autismus wirkt sich bei vielen Autisten wesentlich subtiler aus. Wie sich Autismus ausprägt und was er bedeutet, ist im Alltag bei jedem Autisten unterschiedlich. Um das zu zeigen, rief ich auch diese Reihe ins Leben. Am Ende des Beitrages habe ich die Übersicht über alle Texte der Reihe verlinkt. Wenn du magst kannst du dort noch andere Texte von Autisten finden, die sich mit der Frage beschäftigt haben.
      Gruß
      Hawkeye

    2. hoch21

      Hallo Helga.

      Erst einmal meinen Glückwunsch zu dem Nachwuchs!
      Wie Hawk bereits erklärt hat gibt es nicht genau DEN Autismus, diesen einen „Normalzustand“ für Autisten, sondern es ist ein Spektrum. Ich stelle es mir ein bisschen wie Kurzsichtigkeit vor: Je stärker man betroffen ist, umso weniger erkennt und erfasst man von der Welt. Weit unten im Spektrum entgehen einem nur manche Details, sie sind bisweilen unscharf. Würdest Du vor mir stehen und mir etwas auf Bildern zeigen, würde ich manche wohl nicht richtig erkennen und meine Reaktionen kämen Dir vielleicht seltsam vor. Es ist kein idealer Vergleich, aber für mich erfüllt er seinen Zweck. Wichtig ist, dass Du das Bild Deiner Cousine als Sinnbild für Autismus ablegst. Sie ist eine Autistin, aber nicht die typische. Autismus ist vielfältig und bei jedem etwas anders.
      Ich bin eher niedrig im Spektrum und daher relativ unauffällig. Dir würde am Ehesten auffallen, dass ich Dir während eines Gespräches nicht in die Augen sehen würde, vielleicht auch, dass ich wenig Mimik besitze und vielleicht sogar, dass ich auf Dich nachdenklich wirke und zurückgezogen. Das sind schon die Dinge, die anderen Menschen an mir auffallen. Ich habe gelernt, mich äußerlich an andere Menschen anzupassen. Unauffällig zu sein. Daher merkt man mir eine Menge nicht an.
      Zum Beispiel starke Unsicherheit im Umgang mit Menschen. Ich muss sehr viel raten, was Menschen meinen, gerade wenn sie über Gefühle reden, denn meine Gefühle funktionieren anders als die „normaler“ Menschen. Ich bin sehr schlecht darin, anderen Menschen anzusehen, ob ich sie langweile, ob sie sich ärgern, müde sind… all diese Feinheiten, die Du schon im Gesicht Deines Gegenübers erkennen würdest, ich erkenne sie nicht. Dementsprechend fahre ich immer ein bisschen blind, wenn ich Menschen treffe. Doch ich präge mir schnell ein, wie Menschen funktionieren und welche Gefühle dies und das in ihnen auslösen. Du nennst das Kennenlernen und es erfolgt intuitiv, bei mir ist es tatsächlich eher ein bewusstes Lernen. Und wenn ich den Anderen kenne, dann werde ich auch sicherer im Umgang. Ich kann dann zum Beispiel aufgrund von Situationen einschätzen, wie es ihm geht. Das noch als kleines Beispiel.
      Am Stärksten merke ich den Autismus im Umgang mit anderen. Wenn mir klar wird, dass ich aus meiner Welt in ihre übersetzen muss, einfach alles, Gedanken, Gefühle, bisweilen Logik, und alles von ihnen zurückübersetzen muss. Begegnungen sind deshalb anstrengend für mich. Mehr als drei längere Gespräche, wirklich Reden, mit Mitmenschen in einer Woche schaffe ich selten. Hingegen lesen und schreiben kann ich beinahe unbegrenzt. Vereinfacht ausgedrückt.
      Getestet wurde ich, weil eine Psychotherapeutin, bei der ich lange war, den Verdacht geäußert hatte und mich überwiesen hatte. Der Psychiater, bei dem ich war, bestätigte den Verdacht und testete mehrere Dinge. Darunter noch einmal ADHS, was zuvor bereits nachgewiesen worden war, dann Asperger und schließlich Hochbegabung. Und alle waren zweifelsfrei positiv.
      Habe ich etwas ausgelassen? Willst Du noch mehr wissen? Dann frag ruhig! Dazu ist dieses Blog da, dazu sind diese Beiträge auch da! Fragen sind willkommen!

    3. Petra

      Helga, ich möchte Dich beruhigen. Ich hatte auch eine Menge völlig falscher Meinungen von Autismus. Als ich mich dann bei meiner Tochter damit auseinander setzte, dass AD(H)S „doch irgendwie anders“ ist und ich bei meinen Recherchen auf das Asperger Syndrom stieß, da war ich erst einmal total verwirrt. Zum Glück konnte ich ehrlich genug zu mir selbst sein und erkennen, dass ich völlig falsch mit meiner Meinung gelegen hatte. So hatte meine Tochter die Chance, recht schnell nach dem Erkennen die richtige Diagnose zu bekommen.

      Diese Ehrlichkeit zu sich selbst wäre ganz sicher für viele Autisten hilfreich, wenn sie es mit Nicht-Autisten zu tun haben. Einfach mal sich selbst (als Nicht-Autist) klar machen, dass man total falsch gelegen hat und sich dann informieren, wie Du es hier machen möchtest (finde ich toll!).

      Was es WIRKLICH heißt Autist zu sein, lernt man nicht aus Hollywood-Filmen und sogar Bücher von Autisten zeigen immer nur EINEN Autisten. Dabei ist die Vielfältigkeit riesengroß – so verschieden wie eben alle Menschen sind. Möglich ist alles – Autisten die kein Wort sprechen und auf nichts zu reagieren scheinen, genauso wie Autisten die nach außen hin völlig normal erscheinen, weil sie Familie, einen Beruf, Freunde und ganz „normale“ Freizeitaktivitäten haben. Letzteren fällt dieses nach außen hin normal zu erscheinen aber oftmals nicht so leicht wie es den Anschein hat. Diese ständige Überforderung, die für Nicht-Autisten gar keine wäre, führt dann nicht selten zu Krankheiten. Dass die eigentliche Ursache dann der Autismus ist, wird von sehr vielen Ärzten leider noch immer unterschätzt oder gar nicht erkannt.

  4. Mensch

    Hochgeschätzter hoch21,
    ich bin sehr froh, dass Du auch bei dieser Reihe mitgemacht hast. Wie sehr ich mich darauf freute, von Dir zu lesen, und wie gerne ich den Text las, kann ich Dir am besten mit folgender Aussage beweisen:
    Ich kam heute früh zu spät zur Arbeit.

    Wir alle haben irgendwo unseren Platz in dieser Welt. Ich dümpele auch schon seit bald 8 Jahren scheinbar sinnlos von einer Katastrophe in die nächste. Du bist ein talentierter junger Mann, der, wie ich finde, einfach noch nicht die Chance hatte, sein Talent auch wirklich einzusetzen. Doch auch diese Chance wirst Du irgendwann haben. So sehr ich das Wörtchen „irgendwann“ auch hasse, in diesem Fall meine ich es wirklich aus voller Überzeugung. Du wirst es schaffen.

    1. hoch21

      Lieber/Liebe Mensch,

      ich danke Dir! Komplimente machen mich immer etwas unsicher und nervös. Das schiebe ich übrigens gern auf den Autismus, was wahrscheinlich falsch ist. Aber dann muss ich mit niemandem ausdiskutieren, weshalb ich mir das dennoch anhören sollte. Die meisten Leute trauen sich dann nicht mehr, etwas Positives zu sagen und dann geht es mir gut. 😉

      Ich belächle das immer etwas, wenn mir bescheinigt wird, dass ich Talent besitze und „irgendwann“ mal etwas damit werde anfangen können. Denn das verfolgt mich schon mein ganzes Leben. „Aus Dir wird mal etwas, Du hast so viel Talent!“ Und noch ein Satz klebt mir seit fast 28 Jahren im Ohr: „Wenn er will, dann kann er auch!“
      – Der zweite Satz hat sich irgendwann als Fehleinschätzung herausgestellt. Denn mit der Diagnose kam der Beweis, dass ich eben nicht nur oft faul bin und deshalb in der Schule mal Höchstleistungen gebracht habe und dann mal wieder gänzlich unmotiviert war, sondern dass das Folgen von Autismus sind. Was ich gerne mache, das funktioniert auch. Schreiben mochte ich immer. Also habe ich Hausaufgaben auch mal in Gedichtform abgegeben. Aber Mathe? Zahlen? Nein! Da habe ich lieber die Erhebungen der Raufasertapete im Klassenzimmer (12.675 Erhebungen) gezählt.

      Da also der eine Satz meines Lebens als falsch bewiesen wurde, stelle in den anderen Satz auch in Frage. Ich bin 28. Ich weiß, vor mir liegt im Idealfall noch eine Menge Leben mit zunehmenden Rückenschmerzen und Falten und all dem Kram. Das ist viel Leben. Und ich hoffe natürlich noch darauf, dass all diese Menschen, die Lehrer und Freunde und Ärzte und Familienmitglieder, dass sie alle Recht behalten werden. Dass ich meine Nische finde. Meinen Weg gehe. Doch mit 28 und meiner Vita ist es sicher erlaubt, dass ich Zweifel anmelde und mir der Kopf an manchen Tagen tief hängt.

      Und ich möchte mich noch sehr dafür entschuldigen, dass Du wegen mir zu spät zur Arbeit gekommen bist! Wie unhöflich von mir, Dich aufzuhalten!

      Aber Danke! Ich wünsche Dir weniger Katastrophen in Zukunft und selbstverständlich, dass Dein Platz in der Welt schließlich einer ohne Stolperschwellen ist und sich bald findet!

      1. Mensch

        Ich habe mich immer gefragt, wieso ich ständig scheitere und die scheinbar einfachsten Dinge nicht auf die Reihe kriege, wenn ich doch so supertoll talentiert und intelligent und weißdergeier bin. Hätte ich nicht herausgefunden, dass ich Autismus habe, wer weiß ob ich jetzt hier sitzen und diesen Kommentar tippen könnte. Ich kann verstehen, dass Du sowas belächelst. Ganz ehrlich: Tu ich auch. Ich bin auch nicht ganz zufrieden mit meinem vorangegangenen Kommentar. Hätte das gern irgendwie besser oder anders formuliert. Aber letztendlich ist es doch genau das, was ich denke. Ohne Dir Honig um den Mund schmieren oder Hoffnungen machen zu wollen.
        Übrigens: So ein Quatsch, dass Du Dich entschuldigst. Das war doch eher so gemeint, dass es mir so wichtig war, den Text zu lesen, und er so interessant war, dass ich eben deshalb zu spät zur Arbeit kam. Das war’s mir halt wert. Da hast Du doch gar nix angestellt 🙂 War als sowas ähnliches wie Lob gemeint.

  5. hoch21

    Hawk, ich habe heute also schon eine junge Mutter verwirrt und einen Menschen vom Arbeiten abgehalten. Bist Du sicher, dass mein Beitrag hier eine gute Idee war? Der Nächste hat sich wahrscheinlich wegen mir in den Fuß geschossen oder ist vom Bus überfahren worden!

    1. Hawkeye

      Menschen verwirren ist doch gut. So stehen die Chancen gut das wir jetzt ein paar Menschen mehr mit einem realistischeren Bild von Autismus herumlaufen haben. Außerdem macht es Spaß Menschen zu verwirren!
      Noch ein Hinweis an alle die sich wegen Roman in den Fuß geschossen haben, oder vom Bus überfahren wurden: Bitte verklagt ihn deshalb und nicht mich.

    2. Petra

      Also wegen dem Beitrag kommen jetzt meine Kinder später ins Bett. Aber die können das ab. Ich schätze sie sind sogar froh darüber. Aus meiner Sicht ist also alles in Ordnung. 😉

      Was Deinen Platz im Berufsleben betrifft noch eins: Ich habe fast 40 Jahre gebraucht, bis ich herausgefunden habe, wo WIRKLICH meine „Berufung“ liegt. Obwohl ich kein Autist bin (jedenfalls würde ich keine Diagnose bekommen) aber vermutlich ADS (ohne Hyperaktivität) habe und hochbegabt bin (zumindest das steht fest), habe ich zwar eine abgeschlossene schulische Ausbildung aber sonst jede Menge angefangener Sachen, die ich nicht zu Ende gemacht habe. Das waren keine wahllosen Anfänge, sondern ich war mir jedes Mal sicher, das genau DAS das Richtige für mich ist, mir Spaß machen und mich weiter bringen würde. Aber irgendwie kam dann doch immer alles ganz anders.

      Mich hat auch mein ganzes Leben das Vorurteil begleitet zu faul zu sein. Dabei war es oftmals eher ein „gelangweilt“ oder auch ein „orientierungslos“ aus meiner Sicht.

      Ich bin sehr dankbar, dass ich durch meine Tochter den Autismus wirklich kennen lernen konnte, denn erst der hat mich sozusagen auf die richtige Spur gebracht, wo ich früher NIE drauf gekommen wäre, dass SO ein Beruf zu mir passen würde.

      Aus dieser Erfahrung heraus würde ich sagen, Du solltest die Augen und Ohren offen halten und ruhig verschiedene Sachen ausprobieren (sofern es möglich ist). Vielleicht entdeckst Du irgendwann einen Beruf auf den Du nie gekommen wärst. Vielleicht braucht man dafür dann noch nicht mal eine Ausbildung. Vielleicht ist es dann auch mehr Berufung als Beruf aber füllt Dich aus. Man sollte niemals die Hoffnung ganz aufgeben. Für manche Menschen gibt es keinen geraden Weg, aber auch Kurven können zum Ziel führen. Es braucht eben nur länger. 😉

  6. hoch21

    @Mensch

    Und hier, Ladies & Gentlemen, haben wir ein klassisches Beispiel dafür, weshalb Autisten unter sich so amüsant sein können: Augenzwinkernd merkt ein Autist an, dass er wegen eines Textes zu spät zur Arbeit kam, woraufhin der Autor, ein anderer Autist, augenzwinkernd antwortet, dass er sich dafür ausdrücklich entschuldigt. Und da kommt der Autismus ins Spiel, denn zarte Ironie ist für Autisten oft sehr schwer herauszulesen. Deshalb schreibt Autist Eins nun zur Sicherheit noch einmal, dass das eigentlich ironisch gemeint war. Und es entsteht ein Durcheinander, welches Autisten nur zu gut kennen und das für Nicht-Autisten oft absolut unverständlich ist! 🙂

  7. Noch Jemand

    Hallo.. ich bin etwas spät dran.
    Würdet Ihr vielleicht mal meinen Blogeintrag lesen, den ich heute Morgen geschrieben habe, nachdem ich Hochs Text hier las?
    http://sofamordue.tumblr.com/private/6067308917/tumblr_lm3tx2E9kx1qbuin6
    Es muss nicht unbedingt sein, aber es würde mich sehr freuen von einem von Euch Rückmeldung zu bekommen.

    Und vielen Dank für dieses Blog, und diese Reihe.. das ist wirklich eine tolle Sache, aber das wisst ihr ja selbst. 😉

    1. Petra

      Schade, hab in Deinem Blog @ Noch Jemand keine Möglichkeit gesehen, dort direkt einen Kommentar abzugeben (oder es ist jetzt einfach schon zu spät für mich und ich entdecke es nicht).

      Also Autismus ist ein Spektrum. Am einen Ende stößt dieses Spektrum sozusagen an die „Normalen“. Diese Grenze ist allerdings nicht immer ganz klar zu erkennen und eindeutig. Es gibt ja nicht nur den angeborenen „echten“ Autismus, sondern auch noch autistisches Verhalten z.B. nach einem schweren Trauma. Und das kann von außen betrachtet wie der „echte“ Autismus aussehen. Außerdem gibt es auch noch Störungen wie z.B. AD(H)S, was teilweise so ähnlich ist.

      Wenn Du nun also ein paar Selbsttests gemacht hast, die positiv ausfielen, dann heißt das erst einmal nur, dass es MÖGLICH ist, dass Du ein Autist bist. Über diese Information kannst Du nun erst einmal nachdenken. Es gibt einige Autisten, denen so eine Information ausreicht. Sie möchten nur eine Erklärung für sich selbst und eine offizielle Diagnose empfinden sie nicht notwendig, evtl. sogar eher störend oder negativ. Andere wollen es dann ganz genau wissen und brauchen die Gewissheit einer offiziellen Diagnose.

      Was Du mit Deinen Erkenntnissen machst, bleibt völlig Dir überlassen. Autismus ist ja keine ansteckende oder meldepflichtige Krankheit.

      Und noch etwas finde ich persönlich wichtig. Es gibt die „missing links“. Das sind Personen, die zwar autistische Züge aufweisen aber davon nicht genug haben, um eine Autismus-Diagnose zu bekommen. Sie haben mit ein paar von den Problemen zu kämpfen, die auch Autisten haben, werden aber trotzdem als Nicht-Autisten „gewertet“. Es ist also durchaus auch möglich, auch ohne Trauma etc. autistische Züge zu haben.

      Egal was es ist, wichtig ist einzig und alleine, was Du daraus machst und wie Du damit umgehen willst.

      1. dasfotobus

        Sehr guter Beitrag, Petra.

        @ Noch Jemand:
        Ich denke, es ist schon ok, dass du zum Beispiel Blogs von Autisten liest, um zu schauen, ob und wie sehr du dich wiederfindest. Du kannst auch in Boards oder Chats zu dem Thema gehen, wo sich Autisten austauschen. Das habe ich nach meinem anfänglichen Verdacht getan. Auch die Online-Tests habe ich gemacht, die Tendenzen anzeigen können.

        Solltest du es abklären lassen wollen, rate ich dir, dir einen auf Autismus spezialisierten Psychiater zu suchen. Alle anderen Ärzte wissen meist kaum etwas über Asperger. Das könnte schnell zu einem Ärztemarathon werden.

    2. Hesting

      Wenn Du meinst, für Dich eine Gewißheit zu brauchen, dann melde Dich im Forum bei aspies.de an und laß Dir die Adressenliste geben.
      Ich fahre in 4 Wochen nach Freiburg, weil man dort auch ohne Termin erstmal Fragebögen bekommt. (Zwei davon sollten mit den Eltern ausgefüllt werden.)

  8. Hesting

    Wieder mal ein sehr schöner Beitrag, für dessen Lektüre ich auch alles stehen und liegen lasse. Leider muß ich heute nicht arbeiten, zumindest nicht im offiziellen Sinn. Also bleiben „nur“ Hausarbeit und Hobby liegen.

    Danke Hawkeye, daß Du uns hier zusammenführst. 🙂

  9. Noch Jemand

    Vielen Dank für die lieben Antworten. 🙂
    Spätestens in zwei Wochen habe ich so viel Zeit wie eigentlich noch nie in meinem Leben, und ich denke dass ich das dann abklären lasse. Bis dahin werde ich auch darüber nachgedacht haben, was so eine Diagnose für mich bedeuten würde. :/

    1. Petra

      @ Noch Jemand, wenn Du damit meinst, dass Du in zwei Wochen zum Arzt gehen und Dir eine Diagnose holen möchtest, so muss ich Dich enttäuschen. Wie dasfotobus schon schrieb, bekommst Du eine Diagnose nur bei einem Facharzt, der sich auch wirklich mit Autismus auskennt. Das ist in der Regel ein Psychiater und / oder Neurologe. ABER nicht jeder Psychiater oder Neurologe kennt sich wirklich mit Autismus aus. Da gibt es einige, die auf dem Gebiet nicht mehr Ahnung haben als der nächstbeste Hausarzt „um die Ecke“. Und weil es eben nur wenige gibt, die sich wirklich auskennen, sind die Wartezeiten bis zu einem DiagnoseTERMIN lang. Mit ein paar Monaten musst Du in der Regel mindestens rechnen.

      Übrigens gibt es die Liste von Diagnoseärzten nicht nur im Forum von aspies.de. Genau genommen gibt es sie von einem Aspie, der in verschiedenen Foren „unterwegs“ ist. Er ist z.B. auch im Rehakids-Forum und im Asperger-Forum vertreten.

      1. Hawkeye

        In dem Profil findest du die Mailadresse dazu. Was die Wartezeiten angeht, ich hab in den letzten Wochen wieder von Wartezeiten die sich irgendwo zwischen 9 Monaten und einem Jahr bewegen gehört. Zumindest in den größeren Autismuszentren.

      2. Noch Jemand

        Ich hatte mit dieser zwei-Wochen-Frist eher gemeint, dass ich erstmal in Ruhe Abi mache, und mich erst danach, in der Zeit zwischen Schule und Studium weiter mit meinem möglichen Autismus und dem ganzen Diagnoseprozess auseinandersetze und ihn dann auch evtl ins Rollen bringe. Dass das nicht mit einem X-beliebigen Termin getan ist, hatte ich mir schon gedacht, dass die Wartezeiten SO lange sind lässt mich allerdings schon nochmal abwägen, wie wichtig eine Diagnose für mich und mein Leben wirklich ist. Das werde ich alles eben dann, in zwei Wochen, entscheiden.
        Nochmals vielen herzlichen Dank für Eure Hilfe und die Tipps/den Link bezüglich der Diagnoseärzte. 🙂

  10. CocktailLiebe

    Schön geschrieben. Und vor allem: Schön beschrieben.

    Danke für deine Ehrlichkeit, die mich einiges immer wieder anders sehen und neu entdecken lässt. ♥

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