Da habt ihr aber mal wieder tief in die Verallgemeinerungsschublade gegriffen. (Vorsicht Link kann zu Bluthochdruck führen, tut euch den Gefallen und klickt ihn nicht wenn ihr gute Laune habt und sie behalten wollt). Den Teil mit dem Autisten der selbst erzählt lass ich euch durchgehen, auch wenn ich ihn echt nicht zwingend als repräsentativ sehen würde.
Unangenehm wird es dann aber mit Ina Stein, wenn ich darüber nachdenke das diese Frau Autisten und Eltern helfen soll wird mir anders.
Autisten leben in ihrer ganz eigenen Welt. Sie haben eine Fantasiewelt, die wir aber nicht nachvollziehen können, die wir nicht begreifen können und die auch selber nicht ausdrücken können. Es ist klar wenn man nicht kommunizieren kann miteinander und das kann man mit vielen Autisten nicht, dann ist es logisch das man da hilflos gegenüber steht.
An dieser Stelle halten wir bitte einfach mal inne und sind fassungslos. Das einzige was mir an dieser Aussage nicht sauer aufstößt ist das sie immer von “vielen Autisten” sprach bei der Kommunikation. Ansonsten werde ich nicht müde immer und immer wieder zu betonen, ich lebe in keiner eigenen Welt, ich lebe in genau der gleichen Welt wie der Rest der Menschheit, was im Grunde durchaus ein größeres Problem sein kann als wenn ich in meiner eigenen Welt leben würde.
Dann fordert ihr die Gesellschaft zu sensibilisieren um den Umgang mit Autismus und Andersartigkeit entspannter werden zu lassen. Im Grunde eine sehr schöne Forderung, an diesem Beitrag sieht man sehr schön wie man es besser nicht machen sollte.
Was die geistigen Behinderungen angeht, so belasse ich es mal bei der Feststellung das ich und viele andere Autisten sich definitiv nicht als geistig behindert sehen, auch wenn man es wohl so betrachten kann. Auf jeden Fall fördert ihr durch diesen arg Vorurteilsbelasteten Begriff nicht gerade die Sensibilisierung der Gesellschaft, die ihr so vollmundig fordert.
So langsam beschleicht mich das Gefühl ihr habt Texte über Kanner-Autismus genommen und einfach das Kanner davor gestrichen, wobei ich das was ihr da verallgemeinert nicht mal auf alle Kanner-Autisten zutreffend sehe. Spannend an dieser Stelle ist aber wie oft ihr zwischen den Begriffen Krankheit und Behinderung hin und her wechselt.
Ihre Interessen sind meist auf bestimmte Gebiete begrenzt, auf denen sie manchmal außergewöhnliche Fähigkeiten, sogenannte Inselbegabungen entwickeln. (…)
Leute… Ein Spezialinteresse ist keine Inselbegabung. Nicht jeder der außergewöhnlich gut rechnet ist Inselbegabt. Bevor ich mir hier den Mund fusselig rede möchte ich einfach mal eine kleine Rechnung meines dauernden Gastautors zitieren:
Man vermutet weltweit rund 100 Savants. Davon haben ca. 50% eine Autismusdiagnose. E s ist also durchaus logisch und statthaft wenn man über Savants redet auch über Autismus zu reden. Hierbei sollte man allerdings nicht vergessen, dass oftmals aus Unwissenheit und mangelnder Alternative schwere geistige Behinderungen auch fälschlicherweise als Autismus deklariert werden.
Schauen wir uns nun mal die andere Seite an. Die Zahlen wie häufig Autismus vorkommt reichen von 1:1000 bis hinunter zu 1:100. Ich nehme mal vorsichtige 1:300. Schätzt man nun das wir 7 Mrd. Menschen auf der Welt haben kommt man dabei auf gerundet 23 Mio Autisten die es geben müsste. Zur Erinnerung: Wir haben ungefähr 50 autistische Savants weltweit. Damit kommen auf 460.000 Autisten ein Savant (Angabe abgerundet!). Nun leuchtet vielleicht ein, warum man wenn man über Autismus redet nicht unbedingt auch über Menschen mit dem Savant-Syndrom reden sollte!
Ich bin überrascht, wie viele Leute ihr im Interview habt, die offenbar schon ein bisschen wissen wo von sie reden (wo ich Frau Stein nach den von mir oben zitierten Passagen mal nicht unbedingt zuzählen würde) und es dann schafft in den Kommentaren stellenweise so einen haarsträubenden Murks von euch zu geben.
Nachtrag: Für alle die dem BR selbst gerne ein paar Takte zu diesem Ding mitteilen wollen habe ich hier einmal die Mailadresse: b5aktuell@br-online.de
Ansonsten ist in dem Zusammenhang vielleicht noch folgender Tweet von @aspergerfrauen interessant, so zum Stichwort Medien und deren Verantwortungsvoller Recherche:
ein Journalist hat mal meine Diagnose in Frage gestellt, weil ich in der Lage gewesen sei, auf seinen Artikel zu antworten.
Oh mein Gott. Bei meinem Neffen hat man den Asperger erst mit 11 bemerkt. Er ist manchmal etwas eigen, aber nicht so auffällig und sprechen kann er auch.
Aber um einen Posten zu bekommen muß man nicht zwangsläufig Ahnung davon haben. Siehe Politiker, Minister etc.
Ja, der Bericht ist launeverderbend.
Da kämpft man als Autist gegen Klischees und Vorurteile, und dann kommen regelmäßig renommierte Sender/Zeitschriften/Medien daher und machen alles in ein paar Minuten und mit wenigen Sätzen und Worten an der falschen Stelle zunichte.
Wie soll ein Autist je offen mit seinem Autismus umgehen können, wenn die ganze Welt einen Dank solcher Berichte für minderbemittelt hält?
Und bitte, liebe Medien, lernt endlich den Unterschied zwischen Savant und Autist! Zwischen Inselbegabung und Spezialinteresse! Und hört auf, uns „krank“ zu nennen!
Ich geh mal auf den Dachboden zum Weinen.
Hallo,
mir ist ja schon blümerant geworden als ich den entsprechenden Text zum Beitrag online gelesen habe. Leider verstärkt der Radiobeitrag noch meinen Eindruck das es immer noch schlimmer kommen kann.
Ich habe den BR gestern schon deswegen angemailt, ich bin gespannt ob und welche Reaktion kommt.
Querdenkender
Ich sehe bzw. höre mir kaum noch etwas über dieses Thema an,weil ich dann immer unter Bluthochdruck leide und mich aufrege.
Mein Bengel ist so wie er ist richtig und einfach wunderbar.
Thx
Ich meide in letzter Zeit eigentlich auch ziemlich bewusst diese Berichte, aber nachdem was ich über den gehört habe, wurde ich vorher schon zunehmend angefressen, von daher hatte ich ihn in der Hoffnung gehört das es es nicht so schlimm ist, wie ich von anderen hörte. Hat sich im Nachhinein eher nicht bewahrheitet.
Ich hatte mich zunächst gefreut, dass das Thema Autismus in einem längeren Radiobericht thematisiert wird, merkte dann aber auch schnell, dass er viel zu pauschal war.
Ich merkte das aber auch nur, weil ich – und das auch erst seit kurzem – einen Autisten näher kenne und durch ihn einiges über das Phänomen Autismus erfahren habe. Für Menschen, die nur den Rainman-Film kennen und dann diesen Radiobericht hörten ist das natürlich sehr ungünstig, denn sie werden in ihren unbewusst falschen Eindrücken bestärkt. Sehr ärgerlich.
Dagegen hilft, wie auch bei anderen Minderheiten ein aktives In-die-Öffentlichkeit treten. Sich selbst Outen, sich mit anderen vernetzen und Aktivismus zu machen ist aus meiner Sicht die wirkungsvolle Herangehensweise, um Vorurteile aus der Welt zu schaffen. Ich finde gut, dass du das hier im Blog bereits tust. Weiter so. Auch Journalisten – bin selbst einer – sind froh und dankbar dadurch Ansprechpartner zu finden, die sie vor (unabsichtlichen) Fehlern bewahren. Also: go for it.
Viel Erfolg
Deef
Danke 🙂
Bei diesem Beitrag sind die Fehler schon so haarsträubend das auch Leute die sich nicht so intensiv damit beschäftigt haben es ziemlich schnell merken. Bei vielen anderen Beiträgen die man so findet ist es leider nicht so offensichtlich.
Ich persönlich stelle mir wenn ich so etwas lese immer vor, wie Leute die sich grade anfangen damit auseinanderzusetzen so etwas hören und das für voll nehmen.
Das Problem mit der Öffentlichkeit ist beim Autismus, wie auch bei vielen anderen Minderheiten, dass entweder immer die selben Vorurteile durchs Dorf getrieben werden und die selben Leute gefragt werden und von denen dann auf alle anderen geschlossen wird.
Ich freue mich auf jeden Fall über das viele positive Feedback welches sich hier im Blog inzwischen angesammelt hat.
Das macht das weitermachen einfacher.
Hallo,
das in die Öffentlichkeit treten ist, vielleicht gerade wegen der Vorurteile, so verdammt schwer :/ Ich habe lange gebraucht bis ich erkannt habe das ich nur mit vollem Namen wirklich etwas bewegen kann und auch dazu bereit war. Aus Angst vor Nachteilen :/
Was Journalisten betrifft: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sie verdammt viel Berührungsängste mit dem Thema haben und sich nicht herantrauen. Da befragt man lieber den Prof. Dr. Dr. Psychiater oder jemanden von einem Angehörigenverein :/
Autismus ist noch immer ein heißes Eisen das man ungerne anfasst. Leider :/
Querdenkender
@Quergedachtes: Ich finde es gut, dass Du auch versuchst, die Öffentlichkeit richtig zu informieren aus Sicht eines Autisten. Ich habe viele Ärzte und Psychologen kennen gelernt, die manchmal scheinbar selbst über Autisten etwas gelesen haben – aber Erfahrungen hatten sie selten. Es gibt wirklich sehr wenig Ärzte, Psychologen, die wirklich Ahnung haben. Ich weiss, wovon ich Rede, habe 2 Kinder (1 Asperger; 1 mit autistischen Zügen, bei dem man nicht weiss, was überwiegt – Autismus oder anderes). Ich wünsche Dir Glück, dass Du weiterhin so mutig bleiben kannst!
Hallo Zwitscherfrau,
danke für die aufmunternden Worte. Hier war es jedoch Hawkeye der durch seinen Beitrag dafür gesorgt hat, dass die Aufmerksamkeit auf diesen Radiobeitrag gerichtet wird. Und das ist mehr als gut so.
Ich bin also nicht alleine und ich denke der Realitaetsfilter und seine Autoren werden weiterhin alles daran setzen aufzuklären damit sich das Bild vom Autismus nachhaltig verändert.
Querdenkender
Der Satz „Autisten leben in ihrer ganz eigenen Welt.“ ist sooo 1970!
Dann darf man die Bayern wohl dazu beglückwünschen, daß Kinder wie der Robert weiter ausgegrenzt werden. Ganz großes Kino! *seufz*
Ich hätte die Warnung am Anfang des Textes wirklich ernster nehmen sollen…
Hallo,
gute Nachrichten:
Ich habe eine Antwort vom BR bekommen. Der Onlineartikel zur Sendung wurde offline genommen und soll überarbeitet werden. Die Autorin wurde informiert.
Da der Artikel auf 4 Sendungsmanuskripten basiert wurden auch die Autoren dieser Manuskripte informiert und um eine Korrektur gebeten.
Ich denke das kann man duchweg als Erfolg werten. Immerhin hebt sich der BR damit von vielen anderen Medien ab die ihre Fehler nicht einsehen und nicht einmal reagieren.
Querdenkender