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Von anderen Overloads

Es gibt Tage, an denen prasselt die gesamte Umwelt so lange erbarmungslos auf die eigene Wahrnehmung ein, bis sämtliche Kompensationsmechanismen und Tricks an irgendeinem Punkt versagen und man keine andere Wahl mehr hat, als sich schleunigst eine ruhige Ecke zu suchen und dem Overload1 seinen Lauf zu lassen.

So oder so ähnlich ist die klassische Entstehung eines Overloads. Doch dann gibt es noch die wesentlich seltenere Variante, die quasi unbemerkt kommt und deren Entstehungsgeschichte Tage oder sogar Wochen vorher beginnt.So zum Beispiel Klausurenphasen eines Studiums und ihre Vorbereitung. In diesen Phasen gibt es kein einprasseln von Reizen oder keine direkte einzelne Situation, die die Reizfilterung ausschaltet und einen dringenden Rückzug erfordert. Es gibt nur Tage mit sehr viel konzentrierter Arbeit und Treffen von Lerngruppen, an deren Ende viel zu wenig Freizeit steht. Nicht angenehm, aber auch nichts, was einen Overload auslöst.
Problematisch wird es dadurch, dass so eine Klausurenphase dazu neigt, dass eine ganze Reihe dieser Tage aufeinander folgt, ohne dass es dazwischen Tage gibt, an denen man Schlaf aufholen könnte oder Dinge tun kann, die weniger Konzentration erfordern. Man macht einfach weiter und hat auch gar nicht die Zeit darüber nachzudenken, wie es einem gerade eigentlich geht.

Das funktioniert nicht ewig. Jeder dieser Tage, an denen man mehr Energie aufwendet als man gewinnt, geht auf Kosten von Reserven. Je nach der persönlichen Belastungsgrenze sind diese Reserven an irgendeinem Zeitpunkt aufgebraucht. Dass dieser Zeitpunkt erreicht ist, merke ich nur schleichend. Beispielsweise daran, dass ich egal wie sehr ich es versuche nicht schaffe, den Sinn von Texten die ich grade lese aufzunehmen. Oder daran, dass mich selbst Kleinigkeiten, die mich sonst nicht einmal ansatzweise stressen würden, wahnsinnig auf die Palme bringen. Oft braucht es sehr viele dieser Kleinigkeiten bis ich erkenne, dass ich grade scheinbar grundlos in einen Overload rutsche, und dann irgendetwas dagegen unternehmen kann, damit es nicht noch schlimmer wird.

Häufig passiert dies an Tagen, an denen gerade weniger los ist. Wenn ich Glück habe, sind das die Tage, an denen die Stressphase ohnehin endet und ich habe einige Tage Zeit, die Energiereserven wieder aufzufüllen. Habe ich weniger Glück, bleibt an dieser Stelle nur schnellstmöglich eine Ruhepause einzulegen, um die Energie soweit auffüllen zu können, dass ich irgendwie bis zum Ende der Phase weitermachen kann.

Das Phänomen, dass Autisten Dinge tun, die sie eigentlich nicht schaffen sollten, ist dabei kein seltenes. Gerade Autisten die „funktionaler“ erscheinen und denen man ihren Autismus nicht unbedingt anmerkt, sind in der Lage in Situationen, die an ihre Grenzen gehen, weiterzumachen. Dabei verschwinden der Stress und die Überforderung jedoch nicht. Sie werden nur aufgeschoben, bis an irgendeinem Zeitpunkt, an dem kein Auslöser erkennbar ist, der Overload, oder im Extremfall der Meltdown, eintritt.