Ich – eine Autistin? Niemals.
Abwehr – das war vor zwei Jahren meine unmittelbare Reaktion auf den ersten in einem Gespräch geäußerten Verdacht.
Doch der Gedanke setzt sich in meinem Kopf fest.
Gibt dieses Wort „Autismus“ meinem Anderssein nach 47 Jahren endlich einen Namen?
Ist es das, wonach ich seit meiner Kindheit bisher vergeblich gesucht habe?
Ein einziges Wort, als Erklärung dafür, dass ich zu keinem Zeitpunkt in meinem bisherigen Leben verrückt, sondern lediglich autistisch gewesen bin?
Je intensiver ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetze, desto dringender wird der Wunsch danach, endlich Gewissheit zu haben.
Nach zahlreichen Tests und ausgefüllten Fragebögen zähle ich am Ende die Stunden bis zu meinem Diagnosetermin.
Ich zähle gerne. Zählen macht das Warten erträglicher, weil es die Zeit eingrenzt.
„Sie haben das Asperger-Syndrom.“
Immer und immer wieder spreche ich diesen Satz leise vor mich hin.
Ich bin so erleichtert, dass ich meine Hände kaum stillhalten kann.
Endlich weiß ich, wer ich bin.
Ich werde mich nicht mehr verstecken, nicht mehr jeden Morgen in die Rolle eines Menschen schlüpfen müssen, der ich nie war, nur um nicht aufzufallen.
Ich darf endlich Ich sein.
Mein Innensein wird diesen Kokon endlich verlassen können, der mich immer vor dem Außen beschützt hat. Ich werde frei sein, mich nie mehr selbst verleugnen müssen.