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Autismustag Potsdam 2011

10:24 Erster Vortrag nach der Eröffnung durch Thomas Barta (Leiter d. Abteilung Gesundheit, Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg). Erster Eindruck auf mich ist, dass sich das hier vorrangig an Eltern richten wird. Barta sprach von Leiden und Erkrankung. Normalerweise bin ich da nicht empfindlich, aber ab einer gewissen Häufigkeit bekommt es einen wirklich unangenehmen Beigeschmack. Im Moment hält grade eine Mutter gemeinsam mit ihrem 20 jährigem Kind einen Vortrag. Interessante Widersprüchlichkeiten zwischen den Erzählungen und den Wahrnehmungen von Kind und Mutter. Deshalb sollte man die Arbeit von und mit Autisten und Eltern von Autisten nicht unbedingt trennen.

11:47 Vortrag von einem Autisten zu einem Stressbewältigungskonzept, von dem man halten kann was man will, aber er ist in der Lage anschaulich zu erklären. Das Konzept hat auf jeden Fall wohl einige interessante Ansätze (zumindest in der Form in der es hier dargestellt wurde) über die es sich durchaus lohnt nachzudenken. Er korrigiert meinen bisherigen Eindruck, dass der Fokus vorrangig auf Eltern und Fachkräften liegt.
Die Raumplanung entpuppt sich zunehmend als problematisch, da Infobörse und Vortragssaal in der gleichen Turnhalle liegen und nur durch eine Vorhangwand getrennt werden. Was wohl relativ kurzfristig gemacht wurde aufgrund der hohen Teilnehmerzahl. Es ist schwer sich auf einen Vortrag zu konzentrieren, wenn irgendwelche Spielzeuge Affengeräusche im Hintergrund machen, warum auch immer ein Elternverband diese am Infostand benötigt.
Nachtrag: In der Fragerunde kamen grad interessante Fragen zur Quecksilberausdünstung von Energiesparlampen und ob dieses Konzept auch gegen Elektrosmog hilft. Ich lasse das jetzt einfach mal unkommentiert so stehen.

13:45 Die Mittagspause neigt sich dem Ende. Nach mehrmaligen Hinweisen der Organisatoren ging der letzte Vortrag von Hajo Seng über autWorker fast ohne das Geschrei von Affen hinter dem Vorhang vorbei. Insgesamt war der Vortrag bei dem es um die Berufschancen von Autisten ging für mein Empfinden überraschend leer im Vergleich zu den vorherigen Vorträgen. Ob das an der sich zum Mittag neigenden Zeit oder den, nach der letzten Fragerunde von mir recht hoch geschätzten Zahl der Eltern, bei dessen Kindern wohl eine stärkere geistige Beeinflussung vorliegt lässt sich schwer sagen.
Der Vortrag selbst war gut gemacht und beschäftigte sich mit den Aspekten der Integration und wie sie funktionieren kann. Für mein Empfinden einige sehr schöne Aspekte und vor allem die nicht zu unterschätzende Erkenntnis, dass Integration bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zukommen müssen.
Das Publikum hier ist insgesamt recht bunt gemischt, einige Fachkräfte, viele Eltern aber auch Jugendliche und Kinder dazwischen.

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Offener Brief an Nicole Schuster

Sehr geehrte Frau Schuster,

Sie haben mit ihrer offenen medialen Art viel dazu beigetragen, dass die Thematik Autismus und Asperger Syndrom von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir begrüßen, dass Sie auch auf Ihrer Homepage versuchen mit gängigen Klischees und Vorurteilen über Autismus aufzuräumen. Sie schreiben auf Ihrer Homepage:

„Ich habe als Jugendliche die Diagnose Asperger-Autismus erhalten und setze mich seither für Menschen mit Autismus ein. Gegen die vielen Vorurteile in der Gesellschaft möchte ich ankämpfen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die offener ist für Menschen, die wie viele Asperger-Autistin, ein bisschen anders sind.“

Ich denke hier gibt es weder Kritik noch wird Ihnen jemand ernsthaft widersprechen. Im Gegenteil: Man muss sich freuen, dass es Autisten gibt die die Stärken Ihrer persönlichen Kommunikationsfähigkeiten nutzen um sich für andere Autisten einzusetzen.

Ein anderes wirklich bedeutendes Zitat von Ihrer Homepage sagt:

„Autismus macht vieles schwerer. Er darf aber nie ein Grund sein, aufzugeben.“

Dem können sicher die meisten Autisten zustimmen.

Nun hat eine gewisse mediale Präsenz und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit auch Nachteile. Man wird schnell selbst zu einem Muster für das wofür man steht und jedes Wort wird umso gewichtiger genommen.

Umso unverständlicher ist es wenn Sie schreiben:

„Als Autistin bezeichne und fühle ich mich nicht mehr. Diagnosen können zwar einem helfen, ein Stück seins Lebenswegs zu bewältigen. Sie sollten aber nie als unabänderliches Schicksal aufgefasst werden.“

Hierzu möchten die Unterzeichner dieses offenen Briefes folgendes anmerken:

1)    Es entsteht der Eindruck, dass Autismus geheilt werden kann. Autismus kann nicht geheilt werden, und selbst wenn dies möglich wäre würden viele Autisten es gar nicht wollen.

2)    Es entsteht des Weiteren der Eindruck, dass man seinen Autismus besiegen bzw. überwinden kann. Auch dies kann fatale Folgen für Autisten haben! Anstelle der von Ihnen angestrebten Offenheit gegenüber Autismus erreichen Sie hier eher den Trend zum Satz „Stell dich nicht so an, Autismus kann man überwinden!“ Es sollte mehr reflektiert damit umgegangen werden, Autismus ist nicht nur von Nachteilen begleitet. Man sollte den Autismus nicht überwinden, sondern damit umgehen lernen.

3)    Sein Leben als Autist zu meistern bedeutet nicht das man sich seinem unabänderlichen Schicksal hingegeben hat! Man kann auch indem man zu seinem Autismus steht, stetig daran arbeiten besser damit umzugehen.

4)    Wenn Menschen die mit Ihrem Autismus gut zurechtkommen diesen verleugnen bzw. in den Hintergrund drängen entsteht ein falsches Bild von Autismus! Wir denken das sie als Vorbild viel mehr erreichen könnten in dem sie sagen „Ich bin Autist, aber schaut, man kann damit Leben“ Meinen Sie nicht, dass eine erfolgreiche Autistin in der Öffentlichkeit mehr für Autismus bewegen und erreichen kann als jemand der nun sein Leben erfolgreich lebt aber die Bezeichnung „Autist“ ablegt? Es geht nicht darum stolz auf den Autismus zu sein, aber zu zeigen das man auch mit Autismus und dem gleichzeitigen offenen Bekenntnis „Ich bin Autist!“ der Gesellschaft zeigen kann: Autismus kann auch etwas positives sein!

Wir würden uns freuen, von ihnen zu hören und wenn sie über die Wirkung dieser Aussagen von ihnen nachdenken würden.

Gezeichnet

Querdenkender, Hawkeye, fotobus (alle Autisten) und alle die diesen Beitrag unterschreiben

Nachtrag: Auch wenn das eventuell an anderer Stelle so interpretiert wurde, kritisieren wir nicht Nicole Schusters Entscheidung, sondern die mögliche Wirkung der Aussage auf andere Menschen.

Wer diesen Brief mit zeichnen möchte kann gerne einen Namen und ggf. einen Link in den Kommentaren hinterlassen.

“Extremsport” oder “Keine Regel ohne Ausnahme”

“Jeder Autist ist anders”

Wenn ich für jedes Mal, das ich diesen Satz jemandem schrieb einen Euro bekommen würde könnte ich jetzt wohl ohne Weiteres von den Zinsen leben. Weniger motivierend ist wohl die Fragestellung wie viele der Personen, die diese Nachricht von mir erhielten sich auch wirklich erfasst und begriffen haben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die meisten Menschen da selbst wenig dafür können. Sie brauchen einfach eine klare Struktur die ihnen sagt wie sich die Menschen in der Schublade verhalten in die sie gesteckt wurden.

An dieser Stelle möchte ich darüber schreiben an welcher Stelle ich mich wohl von dem klassischen Bild des Autisten abhebe, um einfach mal ein Beispiel zu geben, dass es eben nicht so einfach und klar ist.

Ich habe einige Jahre meines Lebens ehrenamtlich in der Kinder und Jugendarbeit gearbeitet. Es ist laut, es ist Stress, nicht viele kämen wohl auf die Idee dort einen Autisten zu suchen. Ich mochte es, sicherlich brachte ich nicht die selbe Leistung wie viele andere der Mitarbeiter, vor allem weil ich zwischen einzelnen größeren Terminen Regenerationsphasen brauchte, aber ich mochte es. Im Nachhinein drängt sich mir der Vergleich zu Extremsportlern auf, bei denen das meiste von dem was er tut für Außenstehende an Selbstfolter grenzt. Kinderfreizeiten waren so eine Art Bungeejumping für mich.
Diese Termine waren Stress für mich, aber eine Art von Stress die ich als nicht negativ Empfand, ich konnte mich auf diesen Stress vorbereiten und einstellen. Ich empfand es als eine Reinigung des Systems.
Später kam ich dann dazu, dass ich bei solchen Veranstaltungen die Technik machte, Beamer, Ton, Licht, etc. Dies hatte diesen Effekt noch eine Spur stärker.

Diese ganzen Erfahrungen hatten einen unheimlichen Vorteil, ich entwickelte eine gewisse Flexibilität, die wohl als absolut untypisch gilt. Es ist für mich zwar immer noch eine halbe Katastrophe wenn mal wieder nichts so läuft wie ich es geplant habe, aber es wirft mich nicht mehr aus der Bahn, ich bin in der Lage weiter zu machen und kurzfristig Alternativpläne auszuarbeiten. Meistens merke ich dann erst abends wie viel Kraft mich das Ganze gekostet hat wenn ich um 9 tot ins Bett falle.

Für gewöhnlich endet dieses Thema damit, dass ich mir anhören muss ich sei kein Autist und fehldiagnostiziert. Ich denke aber, dass viele Autisten eben nicht in jedem Punkt dem typischen Bild entsprechen. Autismus ist ein Spektrum das sollte man nicht Vergessen.

Aussagen die mit “Alle Autisten…” oder vergleichbaren Phrasen beginnen haben ein hohes Potential falsch zu sein.