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Warum wir ABA-Anhänger niemals überzeugen werden …

… und trotzdem nicht aufgeben sollten.

In all der Zeit, in der ich mich mit ABA auseinandergesetzt habe, blieb ich immer wieder bei einer Frage hängen: „Was sind das eigentlich für Menschen, die andere mit ihrer „Therapie“ schinden?“
Mit der Zeit begegnete ich immer mehr dieser Menschen und stellte fest, dass es ganz unterschiedliche sein können. Allen voran die „Therapeuten“, bei denen die Interessenlage schnell und einfach skizziert ist und sich irgendwo zwischen der Maximierung des eigenen Kontostandes sowie dem tatsächlichen Glauben, dass an dem ganzen Ding etwas dran sein könnte, bewegt. Doch zu ABA gehören mehr als nur „Therapeuten“, denn es ist ein wesentlicher Ansatz dieser „Therapie“form, auch in den Alltag integriert zu werden und von Eltern, Erziehern und Kindergärtnern durchgeführt zu werden. Hier ist es wohl einzig der Glaube, dass ABA funktioniert und man seinem Kind ohne ABA die bestmögliche Förderung vorenthält, der viele Eltern dazu bringt, ihr Kind dem auszusetzen.

Der nächste logische Schritt ist es zu fragen „Was kann ich tun, damit die damit aufhören?“, und die Antwort auf diese Frage stellt sich als zunehmend ernüchternd heraus. Die „Therapeuten“, die ausschließlich aus finanziellen Motiven ABA anbieten und ihren Lebensunterhalt damit verdienen und die absurde Summen für Fortbildungen und abstruse Zertifikate gezahlt haben, werden überhaupt nicht darüber nachdenken, damit aufzuhören. Allein schon, weil es ihre Existenz bedrohen würde.
Die „Therapeuten“, die von ABA überzeugt sind, werden auch nicht damit aufhören. Denn es würde nicht funktionieren, ohne dass sie das Gesicht verlieren, nachdem sie zuvor offen für ABA und die Wirksamkeit geworben haben und Eltern überzeugt haben, ihrem Kind ABA zuzufügen. Aber nicht nur, dass sie das Gesicht nach außen hin verlieren würden. Sie müssten, allen voran sich selbst, eingestehen, dass sie an etwas Falsches geglaubt und etwas Falsches verteidigt haben.

Den wesentlichen Faktor haben sie jedoch mit den Eltern gemein, denn in dem Moment, in dem sie sich bewusst werden, welchen Schaden ABA anrichtet, werden sie sich zeitgleich bewusst, welchen Schaden sie angerichtet haben, auch wenn sie die besten Absichten gehabt haben. Im Falle von „Therapeuten“ in einer Vielzahl von Fällen. Im Falle von Eltern bei ihren eigenen Kindern. An dieser Stelle wird das unkritische Festhalten an ABA von einer Überzeugung zu einer Notwendigkeit des psychischen Selbstschutzes.

Warum also weitermachen?

Während der Aktivismus kaum eine realistische Chance hat, die bereits tief in ABA verwurzelten Eltern und „Therapeuten“ zu überzeugen, hat er an anderer Stelle umso mehr Chancen. Bei den Eltern und Therapeuten, die beginnen, sich mit ABA auseinanderzusetzen und sich zu informieren. Hier kann unsere Aufklärung und unsere Sicht als diejenigen, die darunter leiden, für ein realistisches Bild sorgen und verhindern, dass Menschen überhaupt erst an den Punkt kommen, an dem sie durch Mitschuld zu unabänderlich Überzeugten werden.
Auf diese Weise das Ziel zu erreichen, wird dauern und Kraft kosten und an sehr vielen Stellen aussichtslos erscheinen, doch in Anbetracht des Zieles ist es definitiv eine lohnende Anstrengung.

Hinweis:
Es gibt sowohl Therapeuten als auch Eltern, die aus ABA aussteigen. In Anbetracht der unheimlichen Popularität von ABA sind dies zwar begrüßenswerte Einzelfälle, jedoch kein erkennbarer Trend.

Wir sind Autismus


Wir sind Autismus-Banner

Heute gibt es keinen langen Blogtext, sondern nur einen Hinweis auf eine heute von uns gestartete Aktion, um einen Gegenpol zu der medialen Übermacht von Autismus Deutschland e. V. zu bieten. Wir können durchaus für uns selbst sprechen, dafür brauchen wir keinen “Selbst”-hilfeverein, in dem Autisten nicht sonderlich erwünscht zu sein scheinen.

Weitere Informationen und wie ihr mitmachen könnt, erfahrt ihr hier.

Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.

– Friedrich Nietzsche

Über Autismustherapien kann man im Grunde nur Falsches schreiben. Es gibt unglaublich viele verschiedene, die sehr unterschiedlich fundiert sind und auf jede Therapie, die hilft, kommen mindestens zwei, die mehr schaden als dass sie irgendwem nutzen. Dazu kommt, dass je nach Mensch und seinen individuellen Problemen auch ganz unterschiedliche Therapieansätze greifen können. Nicht immer muss Autismus auch mit Therapiebedarf einhergehen. In welche Richtung das dann gehen kann, habe ich in einem Blogpost zum Thema Therapie schon dargelegt.

Unabhängig von der Frage, wie man seine Probleme therapiert, stellt sich aber auch die Frage, was überhaupt therapiert werden soll. In dem zuvor verlinkten Blogpost zu Therapien schrieb ich auch über die Therapieformen, bei denen mittels Werkzeugen der Konditionierung Blickkontakt, Händeschütteln oder ähnliches antrainiert werden soll. Tatsächlich ist Blickkontakt bei vielen Angeboten, die es so gibt, eines der Hauptziele, an denen es zu arbeiten gilt. Dort werden Regeln aufgestellt, in welchen Situationen man wie lange und auf welche Weise in die Augen des Gegenübers schauen muss. Auf den ersten Blick ist das verständlich. Bei halbwegs kommunikativen Autisten ist der fehlende Blickkontakt eines der auffälligsten Merkmale. Wenn dieser erlernt wurde, fühlen sich die Menschen in der Umgebung wohler und der Autist fällt weniger auf.

Bevor man sich mit der Frage beschäftigt, wie man Autisten am besten darauf trainiert, Blickkontakt aufzunehmen und zu halten, sollte man sich eine ganze andere Frage stellen:
Warum schauen Autisten ihrem Gegenüber eigentlich nicht in die Augen?

Ich kann an dieser Stelle natürlich nicht für andere Autisten sprechen, aber mich überfordert der Blick in die Augen meines Gesprächspartners sehr schnell. Die Augenpartie ist eine Körperregion, die im Kontext von Gesprächen Unmengen an Informationen vermittelt, welche aber für mein Empfinden vergleichsweise schwer und nur mit viel Konzentration zu interpretieren sind. Dazu kommt, dass ich die Informationen ja nicht nur wahrnehmen, auf die wesentlichen Dinge filtern und den Rest ignorieren müsste, sondern auch noch eine angemessene Reaktion von mir auf diese Erkenntnisse finden muss. Zusätzlich dazu müsste ich dann noch Konzentration für die inhaltliche Ebene des Gesprächs aufwenden, denn was nutzt es zu wissen, wie mein gegenüber Dinge sagt, wenn ich keine Ahnung habe, was es eigentlich grade sagt. Unabhängig vom Blickkontakt ist Kommunikation für mich kein Gesamtkonzept, sondern ich nehme Subtexte, Sachinhalte, sowie Gestik und Mimik als einzelne Dinge wahr, deren Interpretation ich jedes mal zu einem (im Idealfall) stimmigen Gesamtbild zusammenfüge.

Ich wäre also sehr wohl in der Lage, einer anderen Person in die Augen zu schauen. Allerdings würde mir die Konzentration für den Rest des Gespräches fehlen, so dass meine Beteiligung langfristig auf das Niveau eines geschmolzenen Gummibärchens sinken würde, weil ich kaum in der Lage wäre, das alles in Echtzeit zu tun.

Eine wesentliche Frage, ist die nach dem Nutzen des Blickkontakts. Mir wurde nie antrainiert, jemandem in die Augen zu schauen. Sehr wohl erlangte ich irgendwann die Erkenntnis, dass man Menschen zumindest ins Gesicht schauen sollte, wenn man ein Gespräch mit ihnen führt, um Aufmerksamkeit auszudrücken. Das geht aber auch sehr gut, ohne einander dabei in die Augen zu schauen. In Situationen, in denen es wirklich auf einen guten Eindruck ankommt, blicke ich dabei auf den Nasenrücken, der ist nah genug an den Augen, so dass niemand den Unterschied bemerkt, mir bleibt aber die Informationsdichte der Augen erspart.
Im Alltag schaue ich zwar ins Gesicht meines Gegenübers, konzentriere mich dabei aber auf den Mund. An der Mundpartie lassen sich ebenfalls viele nonverbale Bestandteile eines Gesprächs festmachen, es sind zwar wesentlich weniger als an den Augen, aber es reicht immer noch aus, um Humor oder Sarkasmus ausreichend zu erkennen. Manchmal fällt das den Menschen auf, insbesondere den Hobbypsychologen, die an fehlendem Augenkontakt Unehrlichkeit festmachen wollen. Aber das negative Feedback, das ich so pro Jahr erhalte, ist vernachlässigbar gering. Insbesondere dann, wenn die Alternative wäre, bereits nach einem halben Tag komplett überfordert zu sein.
Da ich nicht der einzige Autist bin, den Augenkontakt überfordert, drängt sich der Verdacht auf, dass Autisten aus gutem Grund auf Augenkontakt verzichten.

Die wesentliche Frage ist:
Wenn man Autisten Blickkontakt antrainiert, nutzt es dem Autisten irgendetwas, oder nimmt es ihm nicht ein Hilfsmittel, sich in Gesprächen trotz Reizfilterschwäche auf das Wesentliche zu konzentrieren und wäre ihnen nicht viel mehr damit geholfen, Werkzeuge zu erarbeiten, dass unauffälliger zu machen?

 

“Autismus und auch Asperger”

Dieses Blog hat die Neigung, dass ich darüber mit Menschen in Kontakt komme, Menschen die Fragen haben, Menschen die das Bedürfnis haben, mir Dinge zu erzählen. Auf jeden Fall hat dieser Umstand den Nebeneffekt, dass ich immer wieder Einblicke in das Bild bekomme, das andere Menschen von Autismus haben. Zusätzlich zu meinen eigenen Einblicken, die kommen, da ich mich aus eigener Motivation noch ein bisschen damit beschäftige. Ein Problem, das zunehmend viele Menschen haben, ist es, dass Konzept des autistischen Spektrums zu verstehen. Insbesondere die Formulierung, die auch der Titel dieses Textes wurde, hat es in den letzten Monaten schneller auf Platz 1 der Rangliste geschafft als Modern Talking Ende der 90er.

In diesem Satz schwingt mit, dass Autismus und Asperger zwei grundlegend verschiedene Dinge sind. Häufig kommt in diesem Kontext auch noch eine Einteilung in leichten und schweren Autismus. Seitdem sich der Begriff der “Autismus-Spektrum-Störung” etabliert, erlebe ich zunehmend Menschen, die das für eine weitere Form von Autismus halten. Meistens ist die dann noch leichter als Asperger, also im Grunde nur Erziehungsfehler*. Aber zum Konzept eines “leichten Autismus” habe ich ja schon ein anderes Mal geschrieben.

Dabei ist es gar nicht so unverständlich, dass man da schon mal verwirrt wird. Ein halbwegs modernes Bild von Autismus schafft es erst seit einigen Jahren in die Hörsäle der Universitäten und was man im Internet dazu findet, ist bestenfalls als durchwachsen zu bezeichnen. Fangen wir also zunächst mal mit dem Begriff des Autismus an. Je nachdem mit wem man redet, wird dieser wahlweise synonym für frühkindlichen Autismus/Kanner-Autismus, oder aber als Sammelbegriff für alle Arten von Autismus verwendet. Im Kontext dieses Blogs verwende ich ihn im Sinne eines Sammelbegriffs. Für diesen Sammelbegriff gibt es noch einige weitere Begriffe, die synonym verwendet werden. Der ICD-10 nennt es tiefgreifende Entwicklungsstörungen. Sehr populär ist in diesem Kontext auch der Begriff eines autistischen Spektrums, oder, seitdem dieser Begriff es voraussichtlich in die diagnostischen Handbücher schaffen wird, Autismus-Spektrum-Störung. Wie auch immer man es nun benennt, es ist keine eigenständige Diagnose, sondern lediglich ein Sammelbegriff, unter dem sich die verschiedenen Arten von Autismus zusammenfassen lassen.

Betrachtet man nun das autistische Spektrum, dann finden sich darin eine Reihe von Diagnosen. Die bekanntesten von ihnen sind Frühkindlicher-/Kanner-Autismus, atypischer Autismus und das Asperger-Syndrom. Auch hier gilt, dass diese Diagnosen nicht danach unterschieden werden, wie “schwer” jemand von Autismus betroffen ist. Fest steht, alle diese drei Diagnosen sind Formen von Autismus und wer mit einer davon diagnostiziert wurde, kann sich Autist nennen, sofern man es denn möchte. Denn auch wenn die meisten Leute bei Autismus an die auffälligen Formen denken, sind die vermeintlich unauffälligeren Formen nicht weniger Autismus.

Problematisch ist es, nach diesen Vorstellungen von schwerem und leichtem Autismus innerhalb dieses Spektrums zu unterteilen, denn das geben diese Kriterien nicht her und dafür sind sie nicht gemacht. Da Menschen einen Hang dazu haben in ihrer Psyche recht individuell ausgeprägt zu sein, sagt die Art der Diagnose innerhalb des Spektrums Autismus nichts darüber aus, wie sie im Alltag wirken und was für Probleme sie im Alltag haben.
Der Begriff des autistischen Spektrums stammt vom Begriff des Farbspektrums ab. Bei dem kann man auch nur relativ willkürliche Grenzen setzen, an welcher exakten Stelle nun grün aufhört und blau beginnt. Dann ist die eine Farbe per Definition blau und die andere Farbe genau daneben, bei der vermutlich niemand so wirklich einen genauen Unterschied erkennen könnte, ist grün.

Genau aus diesem Grund macht es gar nicht so viel Sinn, sich an einzelnen Begriffen festzuhalten und Autisten anhand ihrer Diagnose innerhalb des autistischen Spektrums Eigenschaften zuzuschreiben oder gar allgemein den “richtigen” Autismus abzusprechen. Jede Bezeichnung ist nur eine Kategorisierung, die nur wenig darüber aussagt, welche Eigenschaften der Mensch dahinter nun tatsächlich hat.

 

* Siehe dazu

Ist das noch Pavlov?

Während es Spiegel Online geschafft hat, eine DPA-Meldung aus dem Autismus-Kontext so aufzuhübschen, dass ich sie lesen konnte ohne Schmerzen zu haben, kommen die Schmerzen anderswo umso mehr.

Hinweis: Der nun folgende Text benutzt die Stilmittel Sarkasmus und Ironie, ich habe mich jedoch bemüht, diese entsprechend zu kennzeichnen.

Bei Zeit Online ist heute ein Artikel mit dem aussagekräftigen Titel “Bloß nicht zu nett sein!” erschienen. In diesem Artikel wird auf zwei Seiten ein Loblied auf ABA gesungen, bis irgendwann auf Seite drei auch mal eine kritischere Stimme zu Wort kommt. Zumindest wenn irgendein Leser soweit aushält. (Wer zum Teufel kommt eigentlich auf die Idee, Websites zum Blättern zu bauen?) Aber nun gut, ich habe solange ausgehalten und mir die Werbebroschüre den Artikel durchgelesen und möchte, entgegen meinem Grundsatz, nichts zu einzelnen Therapieformen zu sagen, an dieser Stelle mal meinen Senf dazu geben:

Beginnen wir mit dem klassischen Einstieg, ein armes Kind, das vollkommen von seiner Außenwelt abgeschlossen ist und dann innerhalb nur weniger Wochen in der Lage ist, die Kommandos seiner Eltern zu befolgen, wenn er denn mit einem Smartie dafür belohnt wird. (Die Hundehalter unter den Lesern dürften das Prinzip wiedererkennen.) Es sind Geschichten wie diese, mit denen ABA oft verkauft wird. Einzelne anekdotisch erzählte Erfolgsgeschichten. Der nächste Schritt besteht dann darin, dass man den staunenden Leuten erzählt, wie auch sie das erreichen können, nämlich:

„Sprechen, jemanden ansehen, allein auf die Toilette gehen, Gefühle auf einem Gesicht erkennen: Was andere Kinder nebenbei lernen, muss Johan mühsam beigebracht werden. Das geschieht nach einer neuartigen Methode, die fast wie ein Hochleistungstraining aufgebaut ist: 30 Stunden pro Woche sitzt Johan auf seinem Kinderstuhl still, während die Erwachsenen sein Verhalten steuern, als sei er ein willenloses Wesen.“

Klingt schon irgendwie grausam. [Sarkasmus]Aber ist ja alles für einen guten Zweck, denn schließlich soll mein Kind ja anderen in die Augen sehen, und es ist ja auch nicht so, dass Autisten leichter zu überfordern sind als andere Menschen, von daher können diese fünf Stunden täglich ja nur gut sein und auf keinen Fall eine Belastung, und außerdem: Sagte ich schon, dass es ja für einen guten Zweck ist?[/Sarkasmus]

Erst mal stimmt es, dass Autisten alle oder einige dieser Dinge unter Kraftaufwand lernen müssen, aber das im Kontext dieser Dinge immer wieder der Blickkontakt genannt wird, ist schon ein wenig irritierend. Ich schaue Menschen bis heute kaum in die Augen und habe dadurch keinerlei Einschränkungen in der Lebensqualität. Im Gegenteil, wenn ich Menschen immer in die Augen schauen müsste, würde mich das jedes Mal so nachhaltig verwirren, dass ich immer wieder aus dem Gespräch geworfen werde. Aber vielleicht ist das bei Johann ja nicht so, weil sonst hätte er wohl das Problem, dass er das ankonditionierte Verhalten  wieder los werden müsste, wenn er nicht dauerüberfordert in Gesprächen mit anderen Menschen sein will.

Der andere Punkt dabei ist, dass ABA nicht der einzige Weg ist, all diese Dinge zu erlernen. Ich habe sie schließlich auch gelernt, ohne dass meine Eltern mich fünf Stunden täglich trainierten. Der Unterschied ist, dass ich verstanden habe, warum das was ich tun soll Sinn  macht, das heißt ich verstehe da was ich tue. Weil das menschliche Verhalten  dummerweise mehr als ein einfaches Reiz-Reaktions-Muster ist. Was in den meisten  Situationen richtig ist, kann einen in anderen Situationen in Teufels Küche bringen. Die gleiche Ausgangssituation kann auf einer Beerdigung eine komplett andere Reaktion erfordern als sagen wir mal auf einem Kegel-Abend. Ist das einem Menschen, der diese Sachen über Konditionierung gelernt hat, genau so klar wie mir, der ich die Hintergründe verstanden habe? Allein diese Überlegung sollte eigentlich nahelegen, dass ABA nicht der alleinige Weg zum Erfolg sein kann.

„Bei Autisten ist das Erkennen von Ursache und Wirkung gestört. Das behandeln wir durch Verstärkung.“

Das hier ist einer dieser typischen „Bei Autisten …“-Sätze, die eigentlich immer für Aufregung gut sind. [Sarkasmus] Oh, scheinbar habe ich eben Verstanden, dass dieser Satz die Ursache ist dafür, dass ich mich aufrege. Das würde ja bedeuten, dass ich Ursache und Wirkung erkannt habe. Aber das würde dann ja bedeuten, dass ich kein Autist bin. ICH BIN GEHEILT! [/Sarkasmus]
Ok und jetzt mal ernsthaft. Es mag sein, dass bei einigen Autisten dieser Zusammenhang, insbesondere in sozialen Situationen, nicht erkannt wird. Das hat aber wohl eher damit zu tun, dass Autisten meist nur die Wirkung mitbekommen. Sie bekommen mit, dass sie gerade Ärger kriegen, aber dass das daran liegen könnte, dass sie gerade Witze auf einer Beerdigung erzählt haben, bemerken sie nicht zwingend, wenn ihnen das Gefühl dafür fehlt, dass andere Menschen grade traurig sind, obwohl sie auf einer „Feier“ sind und dass man traurige Menschen nicht immer mit Witzeerzählen aufheitern kann. Soziale Situationen bestehen eben nicht nur aus einer einfachen Ursache-Wirkungs-Kette.
Leider.

Dann wäre da noch ein grundsätzliches Problem. Ich habe mit der Zeit gelernt, dass es garnicht das Ziel sein sollte, immer komplett normal zu wirken und allen Leuten freundlich lächelnd in die Augen zu schauen. Ich wäre vermutlich dazu in der Lage, das zu tun, aber was hätte ich davon? Ich würde so viel meiner Energie darauf verwenden, die mir dann an anderen Stellen fehlt. Man kann durchaus auch mit anderen Menschen interagieren, ohne ihnen konstant in die Augen zu schauen. Einige Menschen stört das nicht mal. Die Menschen, die es stört, sind meist zufrieden damit, wenn man irgendwo in die Nähe ihrer Augen schaut, den Unterschied bemerken sie in der Regel nicht. Obwohl ich Menschen nicht in die Augen schaue, habe ich einen Freundeskreis. Es geht nicht immer darum, 100% nach außen hin normal zu wirken, es reicht, sich da auf die Bereiche zu konzentrieren, die negative Konsequenzen nach sich ziehen und unbeliebt machen. Ich bezweifle irgendwie, dass es so gut wäre, wenn ich aufhören würde darauf zu achten, niemanden zu unterbrechen beim Reden, aber dafür allen in die Augen zu schauen. Sicherlich könnte ich auch auf beides achten, aber das hätte dann zur Folge, dass ich entweder nur noch an einem Tag in der Woche unter Menschen gehe oder mir schon mal einen Platz in der Burnout-Reha suche.

Das ist eines der ganz großen Probleme, die ich sehe, wenn nur ABA ohne irgendwas anderes angewendet wird. Kein Mensch hat endlose Reserven an Konzentration, die er aufbringen kann, und von der Fähigkeit damit zu haushalten, habe ich noch keinen ABA-Verfechter sprechen hören, wenn er davon erzählte, dass die Kinder (fast) ganz normal wirken werden am Ende.

tl;dr: Es gibt keine Autismus-Therapie, die alle glücklich macht, ideologische Grabenkämpfe führen zu nichts und ABA – insbesondere allein angewendet – sollte kritisch betrachtet werden. Es wäre allen viel mehr geholfen, wenn man da mit einer gesunden Mischung im Einzelfall arbeitet.