Author: Benjamin Falk

“Extremsport” oder “Keine Regel ohne Ausnahme”

“Jeder Autist ist anders”

Wenn ich für jedes Mal, das ich diesen Satz jemandem schrieb einen Euro bekommen würde könnte ich jetzt wohl ohne Weiteres von den Zinsen leben. Weniger motivierend ist wohl die Fragestellung wie viele der Personen, die diese Nachricht von mir erhielten sich auch wirklich erfasst und begriffen haben. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die meisten Menschen da selbst wenig dafür können. Sie brauchen einfach eine klare Struktur die ihnen sagt wie sich die Menschen in der Schublade verhalten in die sie gesteckt wurden.

An dieser Stelle möchte ich darüber schreiben an welcher Stelle ich mich wohl von dem klassischen Bild des Autisten abhebe, um einfach mal ein Beispiel zu geben, dass es eben nicht so einfach und klar ist.

Ich habe einige Jahre meines Lebens ehrenamtlich in der Kinder und Jugendarbeit gearbeitet. Es ist laut, es ist Stress, nicht viele kämen wohl auf die Idee dort einen Autisten zu suchen. Ich mochte es, sicherlich brachte ich nicht die selbe Leistung wie viele andere der Mitarbeiter, vor allem weil ich zwischen einzelnen größeren Terminen Regenerationsphasen brauchte, aber ich mochte es. Im Nachhinein drängt sich mir der Vergleich zu Extremsportlern auf, bei denen das meiste von dem was er tut für Außenstehende an Selbstfolter grenzt. Kinderfreizeiten waren so eine Art Bungeejumping für mich.
Diese Termine waren Stress für mich, aber eine Art von Stress die ich als nicht negativ Empfand, ich konnte mich auf diesen Stress vorbereiten und einstellen. Ich empfand es als eine Reinigung des Systems.
Später kam ich dann dazu, dass ich bei solchen Veranstaltungen die Technik machte, Beamer, Ton, Licht, etc. Dies hatte diesen Effekt noch eine Spur stärker.

Diese ganzen Erfahrungen hatten einen unheimlichen Vorteil, ich entwickelte eine gewisse Flexibilität, die wohl als absolut untypisch gilt. Es ist für mich zwar immer noch eine halbe Katastrophe wenn mal wieder nichts so läuft wie ich es geplant habe, aber es wirft mich nicht mehr aus der Bahn, ich bin in der Lage weiter zu machen und kurzfristig Alternativpläne auszuarbeiten. Meistens merke ich dann erst abends wie viel Kraft mich das Ganze gekostet hat wenn ich um 9 tot ins Bett falle.

Für gewöhnlich endet dieses Thema damit, dass ich mir anhören muss ich sei kein Autist und fehldiagnostiziert. Ich denke aber, dass viele Autisten eben nicht in jedem Punkt dem typischen Bild entsprechen. Autismus ist ein Spektrum das sollte man nicht Vergessen.

Aussagen die mit “Alle Autisten…” oder vergleichbaren Phrasen beginnen haben ein hohes Potential falsch zu sein.

Sie brauchen das nicht auszufüllen…

Es ist nicht meine Art, mich öffentlich über Leute auszulassen, wenn diese keine Möglichkeiten haben dazu Stellung zu nehmen, aber in diesem Fall lässt sich das Ganze nur schwer für sich behalten. Der Dialog, der wohl der Auslöser für diesen Artikel ist, ist schnell dargelegt.
Ich komme ins Büro meiner Bafög-Sachbearbeiterin, Vorstellung, Begrüßung, etc. Ich habe Probleme zu verstehen warum mein Vater ein Formular ausfüllen muss, auf dem der Grad meiner Körperbehinderung steht, schließlich bin ich nicht körperlich behindert. Das fragte ich sie. Worauf ich folgende Antwort bekam:

Das müssen Sie ausfüllen, damit Sie mehr Geld bekommen, aber wenn Sie sich dadurch beleidigt fühlen, lassen Sie es.

Auf meine erneuten Erklärungsversuche, dass ich es doch so mit Sicherheit nicht meine, erntete ich eine Behandlung von oben herab wie ich sie nicht mehr erlebt habe, seitdem ich 12 gewesen bin und die Aussage, dass doch klar ist, dass ich dort unterschreiben muss wo „Vater des Antragsstellers“ steht. Ab dem Punkt wo sie mir erklärte, dass es noch andere Behinderungen als körperliche gibt, bat ich sie, sie solle mir einfach sagen was ich wo hinschreiben soll, damit der Antrag einfach bearbeitet werden kann.
An diesem Punkt fällt es mir schwer davon auszugehen, dass sowas an meinem Autismus liegen soll wie es immer wieder gerne erklärt wird. Manchmal wäre das Leben schon um Längen einfacher wenn Menschen zuhören würden.

 

Die Krise geht um

Doch nicht nur die Banken dümpeln in der Krise, auch das Gesundheitssystem. Eine Autismus-Epidemie greift um sich. Immer mehr Kinder infizieren sich damit oder bekommen es durch Impfungen, deshalb müssen wir jetzt was tun und diese “Public Health Crisis” (Autism Speaks) bekämpfen.

Und jetzt mal ernsthaft…

In letzter Zeit vernehme ich wieder zunehmend den Wunsch und die Forderung man möge doch endlich ein Heilmittel finden. Man kann die armen Autisten nicht in ihrer eigenen Welt einfach alleine lassen. Zunehmend höre ich solche Aussagen auch von Autisten, die mir erzählen sie wollen nicht mit dieser Behinderung leben.
Fakt ist, es wird in naher Zukunft (ich persönlich sage auch in ferner) Zukunft keine Heilung geben. Es gibt bisher nicht mal eine wirklich rein medizinische sichere Diagnosemethode (korrigiert mich bitte wenn ich da falsch liege). Selbst wenn es eine gäbe würde sie uns erst mal näher an neue Abtreibungsrekorde als an eine Heilung bringen.
Dennoch werden Millionen verpulvert um die Welt wachzurütteln und ihnen zu sagen das wir dringend eine Heilung brauchen.

Autismus ist ein Problem für die Gesellschaft, bis zu diesem Punkt sehe ich in der ganzen Argumentation noch einen gemeinsamen Nenner, aber die Lösung für dieses Problem liegt nicht darin das wir alle Autisten auf der Stelle heilen und bis wir das tun malen wir ein paar Protestbänder, sondern wir sollten jetzt etwas tun. Das kann einfach Aufklärungsarbeit sein, oder vernünftige Weiterbildungskonzepte, Ämter die darüber hinausdenken das ein Schwerbehindertenausweis ein prima Ticket ist um in die Rente zu kommen, oder wahlweise in eine Werkstatt.

Eine Diagnose ist nicht das Ende, sondern ein Anfang. Doch grade in diesem Punkt gibt es an vielen Stellen (definitiv nicht an allen) noch großen Nachbesserungsbedarf. Oftmals bekommen Menschen ihre Diagnose und keine weiteren Informationen oder Hilfsangebote, da ist es beinahe selbstverständlich das sich eine gewisse Hilflosigkeit herausbildet.

Autisten können oftmals so viel mehr als man ihnen gemeinhin zutraut (ich schließe hier mal die Savants und die typischen Vorurteile aus). Man muss nur mehr Hilfen anbieten wie man mit dem eignem Autismus und der Welt umgeht.

Vielleicht bräuchten wir dann gar keine Heilung für Autismus.

Themen

Viel ist hier im Moment nicht los in diesem Blog. Das liegt aber nicht dran das ich diesen Blog nicht mehr pflege oder ich keine Lust habe zu schreiben, sondern an der Tatsache das es so viele Themen gibt und ich mich einfach nicht festlegen kann welches mich grad genug beschäftigt um es mit einem Artikel zu versehen.

Aus diesem Grund möchte ich den Leuten die hier lesen die Möglichkeit geben das sie entscheiden worüber sie hier etwas lesen wollen. Postet einfach einen Kommentar mit eurem Themenwunsch unter diesen Artikel und in den kommenden Wochen werde ich mir ein Thema rauspicken und etwas dazu schreiben.

Ich hoffe auf eine ordentliche Beteiligung!

NT oder NA

Hinweis: Dieser Text ist mittlerweile etwas älter und durch eine veränderte Ausgangssituation nicht mehr aktuell. Ein aktuellerer Text zum Thema kann hier gefunden werden.

Autistische Menschen haben einen Begriff für nicht Autistische Menschen gewählt, “Neurologisch Typisch” oder kurz NT. Wie aus dem Link und dem weiterem deutlich wird ist diese Bezeichnung eine Form des Protestes gegen die Pauschalisierung von Autisten.
Ich mag diesen Begriff mittlerweile nicht mehr da ich, in meinem Kontakt mit Autisten zunehmend feststelle, wie die Protestwirkung zu genau dem verkehrt wird gegen das sie protestieren soll.
Neurotypisten werden von vielen pauschal als minderwertig und dämlich klassifiziert. Damit wird aus dem eigentlich mehr anprangernden Verladen dieser ganzen Klassifizierung bitterer ernst.

Aus diesem Grund verwende ich die Bezeichnung NT schon länger nicht mehr, weil sie für mich genau das tut, von dem ich  forder das es bei Autisten nicht gemacht wird. Ich persönlich verwende die Bezeichnung “nicht Autist” oder kurz NA.
Die Bedeutung dieser zwei Begriffe erscheinen auf dem erstem Blick gleich, dennoch ist NA schlicht und ergreifend eine Zustandsbeschreibung während NT eine Pauschalisierung darstellt (die bekanntlich immer falsch sind). NT hat schon die vollkommen falsche Grundannahme das es so etwas wie etwas typisches gibt, kein NA ist wie der andere, genau so wenig wie jeder Autist ist wie der andere, aber wie soll man das Nichtautisten verdeutlichen wenn man zeitgleich genau das mit ihnen tut was sie unterlassen sollen.

Klischees

Ich denke das Problem mit vielen Klischees vorbelastet zu sein, dürfte wohl jede Gruppe von Personen mit Störungen, Behinderungen oder Krankheiten haben. Man bekommt sie eigentlich immer zu hören, wenn Leute meinen sie kennen sich aus (ich hab den Film gesehen/den Wikipedia-Artikel gelesen).
Einige dieser Vorurteile sind gelegentlich ganz lustig, andere haben das Talent (und eigentlich bin ich ein Mensch mit viel Geduld) mich sehr schnell böse werden zu lassen.
Eines dieser Vorurteile schaffte es erst in den letzten Monaten einer der Aufreger zu werden. Es manifestiert sich meistens durch die Frage

Was ist eigentlich dein Spezialinteresse?

Ich denke zum Teil haben wir den Boom dieses Vorurteils wohl Wikipedia zu verdanken. Es steht nicht ausdrücklich da, dass es alle haben, aber es liest sich schon ein wenig so. Kritisch hinterfragt wird Wikipedia ja mittlerweile ohnehin selten. Aber Richtig oder Falsch ist nicht immer eine Sache des Mehrheitsdenkens.
Nicht alle Autisten haben Spezialinteressen. Sie kommen häufiger vor, allerdings sind sie kein zwingendes Diagnosekriterium. Manchmal wachsen sie sich auch raus oder wechseln mit der Zeit. Man kann jedenfalls auch prima Autist sein ohne Spezialinteressen zu haben.
…und wo wir grad beim Wiki-Artikel sind, es soll durchaus Autisten geben die keine Ahnung von Mathe und Naturwissenschaft haben…

Ansonsten halten sich leider ein Haufen Vorurteile in diesem Bereich,  wenn mir jemand Erbsen vor die Nase hält, würde mich eher stören, dass sie unsymmetrisch sind, als dass ich mir auch nur Ansatzweise Gedanken dazu mache wie viele das denn nun eigentlich sind.
Genauso wenig ist jeder Nerd/Geek/Klugscheißer gleich automatisch ein Autist, so wie umgekehrt nicht jeder Autist zwingend ein Nerd/Geek/Klugscheißer ist.

Als Schlusswort dieses Textes bleibt mir eigentlich nur die Bitte nicht zu vergessen, dass Autismus eine Diagnose und keine Persönlichkeit ist, das heißt nicht alle Autisten mögen das selbe und haben die selben Interessen. Es gibt nichts das alle Autisten pauschal mögen oder nicht mögen.
Außerdem würde ein wenig mehr hinterfragen von Wikipedia-Artikeln den meisten Menschen nicht schaden.

Reize

Seit nunmehr über zwei Wochen kämpfe ich mit etwas das sich wohl am ehesten als konstante Reizüberflutung bezeichnen lässt. Leider ohne jedwede Idee woher sie kommen könnte. Zuerst hatte ich grelles Licht im Verdacht, das zu vermeiden besserte die Situation ein wenig, aber leider nicht genug.
Die Erkenntnis traf mich heute in der Physik-Vorlesung. Der Prof erzählte etwas über Linsen und das Auge und ich erfreute mich an meiner Unfähigkeit mich auf irgendwas zu konzentrieren und der Aussicht in diesem Zustand noch 4 weitere Stunden in der Öffentlichkeit verbringen zu müssen.
An diesem Punkt machte es klick und ich begann drüber nachzudenken wie viel Konzentration es mich eigentlich kostete irgendwas gezielt anzuschauen.
Morgen werd ich mich wohl mal beim Optiker blicken lassen in der Hoffnung das sich dadurch einige Probleme lösen, es würde auf jedenfalls alle Probleme erklären.
Wenn nicht werd ich wohl ob kurz oder lang ein echtes Problem haben.