Klischees

Ich denke das Problem mit vielen Klischees vorbelastet zu sein, dürfte wohl jede Gruppe von Personen mit Störungen, Behinderungen oder Krankheiten haben. Man bekommt sie eigentlich immer zu hören, wenn Leute meinen sie kennen sich aus (ich hab den Film gesehen/den Wikipedia-Artikel gelesen).
Einige dieser Vorurteile sind gelegentlich ganz lustig, andere haben das Talent (und eigentlich bin ich ein Mensch mit viel Geduld) mich sehr schnell böse werden zu lassen.
Eines dieser Vorurteile schaffte es erst in den letzten Monaten einer der Aufreger zu werden. Es manifestiert sich meistens durch die Frage

Was ist eigentlich dein Spezialinteresse?

Ich denke zum Teil haben wir den Boom dieses Vorurteils wohl Wikipedia zu verdanken. Es steht nicht ausdrücklich da, dass es alle haben, aber es liest sich schon ein wenig so. Kritisch hinterfragt wird Wikipedia ja mittlerweile ohnehin selten. Aber Richtig oder Falsch ist nicht immer eine Sache des Mehrheitsdenkens.
Nicht alle Autisten haben Spezialinteressen. Sie kommen häufiger vor, allerdings sind sie kein zwingendes Diagnosekriterium. Manchmal wachsen sie sich auch raus oder wechseln mit der Zeit. Man kann jedenfalls auch prima Autist sein ohne Spezialinteressen zu haben.
…und wo wir grad beim Wiki-Artikel sind, es soll durchaus Autisten geben die keine Ahnung von Mathe und Naturwissenschaft haben…

Ansonsten halten sich leider ein Haufen Vorurteile in diesem Bereich,  wenn mir jemand Erbsen vor die Nase hält, würde mich eher stören, dass sie unsymmetrisch sind, als dass ich mir auch nur Ansatzweise Gedanken dazu mache wie viele das denn nun eigentlich sind.
Genauso wenig ist jeder Nerd/Geek/Klugscheißer gleich automatisch ein Autist, so wie umgekehrt nicht jeder Autist zwingend ein Nerd/Geek/Klugscheißer ist.

Als Schlusswort dieses Textes bleibt mir eigentlich nur die Bitte nicht zu vergessen, dass Autismus eine Diagnose und keine Persönlichkeit ist, das heißt nicht alle Autisten mögen das selbe und haben die selben Interessen. Es gibt nichts das alle Autisten pauschal mögen oder nicht mögen.
Außerdem würde ein wenig mehr hinterfragen von Wikipedia-Artikeln den meisten Menschen nicht schaden.

2 thoughts on “Klischees”

  1. A.L.

    Die Skepsis gegenüber Wikipedia teile ich. Zwar lese ich dort immer wieder hilfreiche und gut geschriebene Artikel, aber leider oft auch unzureichende in stümperhafter Sprache. Man sollte Wikipedia als Angebot betrachten, aber nicht als unumstößliche Autorität.

    Was speziell den Artikel zum Asperger betrifft, so habe ich schon schlechtere Definitionen gelesen. Immerhin ist dort der Hinweis zu finden, dass Asperger auch mit Stärken verbunden ist. Sonst wird ja gern das negativ Abweichende (um nicht zu sagen Pathologische) betont. Ich finde es generell schwierig, dem Phänomen Asperger so weit gerecht zu werden, dass sowohl die nicht Betroffenen ein realistisches Bild erhalten als auch die Betroffenen sich darin wieder erkennen. Es ist nun mal kein Asperger genau wie der andere, und egal, wer was schreibt, es wird immer einen geben, der moniert: „So ist das aber nicht bei mir.“ Ich z. B. habe nichts mit Zahlen und IT am Hut, bin also alles andere als ein Nerd, dafür aber habe ich Spezialinteressen und passe zumindest in diesem Aspekt gut ins Bild. Die Gefahr der Verallgemeinerung oder sogar ins Klischeehafte abzurutschen wird man wohl nicht vermeiden können bei so einem komplexen Phänomen wie dem Autismus. Wie soll man gemeinsame Nenner beschreiben, wenn diese gemeinsamen Nenner so stark variieren?

    Ich persönlich vermisse bei vielen Artikeln und Definitionen vor allem eins: dass Asperger vom Leser als Gesamtpaket, als individuelle, aber homogene Form der Existenz begriffen werden kann. Ich mache nämlich immer wieder die Erfahrung, dass nicht Betroffene die Vorstellung haben, ich sei ja im Grunde „so wie sie“, würde genauso denken, fühlen und wahrnehmen, nur gäbe es bestimmte Fertigkeiten oder Situationen, bei denen ich nicht mithalten kann, und diese Abweichungen seien dann Asperger.

    Ich sehe mich neurologisch anders ausgestattet als die Masse. Meine Hardware scheint anders geschaltet, folglich sollte es nicht wundern, dass mein Zugang zur Welt ein etwas anderer ist. Es gibt viele Überschneidungen mit dem nicht Autistischen da draußen, und so nimmt mich die Umgebung ja auch wahr, nur ändert es nichts daran, dass wir von zwei verschiedenen Modellen sprechen, beide mit Stärken und Schwächen, aber eben verschieden. Dies zu verstehen fällt meiner Umgebung noch immer schwer. Würden es die Leute begreifen, müssten sie nicht immer wieder in einzelnen Symptomen herumstochern:
    „Warum regst du dich über so eine Kleinigkeit auf?“
    „Du wirst doch da wohl mal anrufen können!“
    „Entspann dich doch mal.“
    „Mein Gott, du legst jedes Wort auf die Goldwaage.“

    Für manchen in meiner Umgebung bin ich noch immer ein entarteter NA, ein Sammelsurium von sichtbaren Abweichungen. Wären diese sichtbaren Abweichungen weg, wäre ich wie sie.

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