Ja, ja.
500 Worte. Werde ich ja wohl noch beieinander kriegen.
Aufschieberitis war es nicht.
Unwille auch nicht.
Und nein, drücken wollte ich mich auch nicht.
Ich habs vergessen.
Mehrfach.
Keine Zettel geschrieben.
Keinen Termin im Kalender eingetragen.
Ein Problem mit dem „Aus den Augen – aus dem Sinn.“
Für Autisten gibt es dazu den schönen Begriff „Monotropismustheorie“. Sie beschreibt, wie Autisten ihre Aufmerksamkeit auf die sie umgebenden Dinge verteilen.
Die Monotropismustheorie geht grundsätzlich davon aus, dass jedem Menschen eine bestimmte, individuell variierende Menge an Aufmerksamkeit zur Verfugung steht. Diese Aufmerksamkeitsmenge wird intuitiv auf verschiedene Dinge verteilt.
Wer eher polytropisch veranlagt ist (tendenziell eher die Nichtautisten), legt seine Aufmerksamkeit mehr oder weniger auf mehrere Dinge zugleich. Zum Beispiel, im Wesentlichen auf das, was er in diesem Moment tut, etwas weniger auf Dinge, die mittelbar oder unmittelbar mit der Tätigkeit zu tun haben, auf Dinge, die um ihn herum passieren und ein wenig auf andere Sachen, wie der Gedanke an das Hungergefühl oder an das letzte Wochenende.
Monotropisch veranlagte Menschen wie ich konzentrieren sich auf eine Sache. Für alles andere bleibt dann so gut wie keine Aufmerksamkeit mehr übrig. Teilweise blende ich (gleichförmige!) Geräuschkulissen und Hintergrundgeräusche komplett aus, nehme unangenehme Empfindungen (Hungergefühl, Verspannungen, Müdigkeit, …) nicht mehr wahr. Das ermöglicht mir ein sehr zielstrebiges und äußerst effizientes Arbeiten. Außenstehende nennen das dann „er hat die Welt um sich herum vergessen“ oder „ist total in seiner Welt/Tätigkeit versunken“. Andere Begriffe für diesen Zustand sind „hyperfokussieren“, „Tunnelblick“ oder „Flow“.
Vorrangig gilt dies für Tätigkeiten, die interessant sind. Auf weniger interessante oder unangenehme Dinge schaffe ich es kaum, die Aufmerksamkeit zu bündeln. Dann „funken“ mir mein etwas zu feinfühliger Gehör-, Seh- oder Geruchssinn dazwischen. Eine Fliege an der Wand, das Surren des Computerlüfters, ein Geräusch aus dem Nebenzimmer, ein Husten, das 50-Hertz-Flackern der Neonröhre, ein ungewohnter Geruch aus einem offenstehenden Schrank oder sonst irgend ein Reiz zieht dann den Aufmerksamkeitsfokus auf sich. Meine Arbeitsumgebung im Beruf und zu Hause sind daher recht reizarm gestaltet und es gibt immer Möglichkeiten, Gedanken schnell schriftlich festzuhalten.
Das ist nämlich das nächste Problem. Kommt mir ein Gedanke zu irgend etwas anderem als die eigentliche aktuelle Aufgabe, z.B. etwas auf dem Nachhauseweg noch einkaufen, ist dieser Gedanke gleich wieder völlig verschwunden, sollte ich mich der eigentlichen Aufgabe widmen. Es verbleibt keinerlei Restaufmerksamkeit auf dem Gedanken, der mich dann auf dem Nachhauseweg daran erinnert, am Laden kurz anzuhalten und jene Sache einzukaufen. Auch eine „dazwischengeworfene“ Bitte eines Arbeitskollegen geht normalerweise verloren. Das ist keine böse Absicht, wird aber von manchen trotzdem so empfunden.
Das eigene Arbeitsumfeld kann ich so mit Klebezetteln und anderen „Anker-“Methoden am laufen halten. Auf der persönlichen Ebene in sozialen Beziehungen ist das alles nicht ganz so einfach. Ein wichtiger Grund dafür, als Autist nur zu schnell mit Attributen wie gefühlskalt, unpersönlich oder arrogant, versehen zu werden.
Sollte hier jemand ein Patentrezept haben: Bitte her damit. Hawkeye macht da sicher gerne einen Blogbeitrag draus und wird berühmt.
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.
Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du in diesem Artikel.
Lasse von Dingens ist 36 Jahre alt, Asperger-Autist und Autor von „Das Chaos da draußen“
Ich kann nur zustimmen.
Und die Frage „Wie war denn die letzte Woche?“ Ist absolut nicht beantwortbar.
Kann nur sagen: ich kann das mittlerweile prima: nämlich alles Mögliche mit-bedenken. Ganz super. Das war Sarkasmus
Denn diese Fähigkeit, antrainiert wohlgemerkt, macht mich total konfus. Es ist toll, dass die Leute einen mitfühlend etc. finden, aber es sammelt einen kaum einer auf, wenn man vor lauter mit-bedenken einfach fertig ist. Man kommt auch schlecht bis gar nicht dazu, sein Zeug zu machen – aus (falsch verstandener) Freundlichkeit. Denn eigentlich ist es ehrlicher und wohl auch besser und freundlicher, wenn andere die Möglichkeit haben, jemand so zu sehen, wie man ist. Dh. ich lerne seit paar Wochen wieder „mein Zeug“ zu machen.
Und meine Erfahrung ist, dass die s.g. Nichtautisten das gar nicht wirklich machen: sich auf mehrere Aufgaben, Dinge, Menschen konzentrieren zu können. Ich habe das wirklich über Jahre getestet und beobachtet – es ist eher ein „so tun als ob“. Natürlich ist das nur meine Wahrnehmung.
Was ich eigentlich sagen möchte: man kann diese gedankliche (oder Gefühls- oder Aufmerksamkeits-)mehrstimmigkeit üben. Man möge sich nur bitte überlegen, ob es das wert ist. Meine Meinung: im kleinen Rahmen: ja. Aber Vorsicht. Bitte.
Da muss ich mal nachfragen. Wie wäre es, wenn jemand anderes immer wieder an die „verlorenen Gedanken“ erinnern würde? Sozusagen wie ein „lebender Post-It-Zettel“. Würde Euch das eher nerven und stören oder würdet Ihr das als Hilfe empfinden?
Ich versuche nämlich auch eine Lösung für die Aspies in meiner Familie zu finden und habe es mit der Methode versucht. Aber ich empfinde mich da selbst als nervig und werde auch meistens so behandelt als ob ich nerven würde. Es ist ja gut gemeint von mir, aber scheinbar nicht gut gemacht. Nur weiß ich nicht, ob es ein persönliches Problem oder ein Aspie-Problem ist. Wer macht dabei was falsch? Oder ist die Methode gänzlich ungeeignet?
Ich glaube mich persönlich würde erinnern ab einer gewissen Häufigkeit nerven. Kommt aber auch auf das wie und das Thema an und darauf wer es macht und in welchen Situationen. Ich fürchte da gibt es keinen allgemeingültigen Trick, unabhängig von Autismus.
(Ich persönlich nutze ein Gemisch aus mehreren Computerprogrammen und Totholzlisten, bei dem ich bezweifle, dass es bei irgendwem anders auch nur ansatzweise funktioniert)
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Nein, das Patentrezept habe ich nicht, ich suche schon seit Jahren danach.
Jetzt habe ich den Beweis, dass mein Verhalten eben doch mit dem Asperger-Syndrom zu tun hat: „Monotropismustheorie“.
Es ist bei mir genau wie oben beschrieben: Totale Konzentration wenn mich etwas interessiert, totale Ablenkbarkeit oder schon gar nicht beginnen können wenn das Interesse nicht gross ist oder nach Unterbrechungen.
Die lebende Post-it-Variante wäre praktisch, macht aber auch unselbständig. Meine Frau verweigert sich hier, was ich bis zu einem gewissen Grad verstehen kann.
Eine klassische Todoliste führe ich an der Arbeit nicht mehr. Eine solche Liste ist spätestens nach zwei Stunden nicht mehr aktuell und ich vergesse immer, sie zu aktualisieren.
Was ich habe:
– Liste heute: an was arbeite ich heute?
– Liste Pool: Alles was noch bearbeitet werden soll
Die Listen sind simpel: Keine Statusupdates, keine Daten (bis wann muss es erledigt sein usw.). Je weniger ich an einer Liste bearbeiten muss desto besser. Zudem mache ich mir an der Arbeit viele Notizen (elektronisch).
Zusätzlich nutze ich die im iOS von Apple eingebaute Erinnerungs-App für private Todos. Aber im entscheidenden Moment (= wenn ich etwas eintragen sollte) habe ich das iPhone dann oft nicht bei mir…
Bei Zwischenmenschlichen Beziehungen hilft auf jeden Fall technische Unterstützung. Für so Sachen wie Termine, Geburtstage, Verabredungen, etc.
Für alltägliche Ablenkungen oder Dinge die überhaupt keinen Spaß machen wie z.B. Zimmer aufräumen, putzen, abspülen gibt es mind. zwei Möglichkeiten: Outsourcen an Spülmaschine, Putzfrau, Haushaltshilfe oder den Haushaltsbegeisterten Partner 😉 oder es zu zweit erledigen.
Bestes Beispiel hierbei aufräumen: Die helfende Person kann die Organisation des Aufräumens übernehmen. Der Helfer sorgt dafür, dass sobald ein Ding aufgeräumt bzw. fast aufgeräumt ist, die nächste Sache zum Aufräumen da ist. Der Helfer hat das Ding in der Hand und sagt z.B.: „Hier räum das jetz auf!“, „Gut, hier das nächste.“, „Und das hier? Wo kommt das hin?“ Das heißt derjenige, der aufräumt, muss sich nicht überlegen was er als nächstes aufräumt oder wie viel da noch ist und wo er anfangen soll usw. sondern er bringt die Dinge einfach an den richtigen Ort. Der Trick des Helfers dabei ist, versuchen die Aufmerksamkeit des anderen immer wieder aufs Aufräumen zu lenken – und zwar nicht allgemein sondern auf eine konkrete Sache.
Natürlich schadet es nicht, wenn der Helfer auch mal ein bisschen motiviert. 😉
Hier mal meine Teillösungen für das Orga-Problem:
Ich benutze auch terminfreie ToDo-Listen auf Papier (geht schneller, läßt sich leichter mitnehmen und muß nicht erst gebootet werden):
– eine normale
– eine optionale für volle Tage
– eine mit geplanten längerfristigen Projekten, die man nur vielleicht oder wenn Zeit ist, mal machen will
dann habe ich noch einen Wochenkalender für „echte“, feststehende Termine.
Verdammt, habe ich´s doch geahnt. Ich bin auch Autist. Geburtstage, Abgabetermine, To-do-Listen (vergesse ich inmer drauf zu gucken). 😀 Und meine Freundin nervt mich auch ständig mit dem Erinnern an zu erledigende Dinge. Sind wir nicht alle ein bisschen Autist?