Warum wollen Sie unseren Service nicht mehr nutzen?
Man trifft diese Frage mittlerweile überall, wo man einen Account löscht oder ein Abo kündigt. Dort kann man dann einige Angaben machen, ob man zu viel Spam bekommen hat, ob man allgemein unzufrieden war oder ob der Dienst drei URLs weiter vielleicht einfach schönere Augen hat. Auf diese Weise weiß der Anbieter dann, woran es lag, dass er einen Nutzer weniger hat und kann diese Information theoretisch sogar nutzen.
Ich hätte so einen Fragebogen gerne für Menschen.
Warum wollen Sie diesen Kontakt nicht mehr aufrecht erhalten?
Dort könnte man dann ankreuzen, ob es nun daran liegt, dass ich mich zu oft oder zu wenig gemeldet habe, dass ich aus Versehen die Mutter/die Großcousine dritten Grades/den Goldhamster beleidigt habe oder dass ich einfach ein Idiot bin.
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, an denen es liegen kann, dass Kontakte abbrechen oder sich ausschleichen. Leider bekomme ich davon immer nur das Resultat mit. Eine weitere Person, die irgendwann nicht mehr auf Anrufe oder Mails reagiert. Das passiert mir so häufig, dass ich mich mittlerweile daran gewöhnt habe, dass Menschen irgendwann nicht mehr reagieren. Bloß damit abfinden will ich mich nicht. Mein Bekanntenkreis ist nicht so groß, dass ich einen stetigen Verlust so einfach verkraften kann. Dazu kommt, dass ich mich irgendwann an Menschen gewöhne, wenn ich es geschafft habe, sie irgendwie in meinen Bekanntenkreis zu bekommen.
Natürlich ist so etwas im Allgemeinen nichts Ungewöhnliches. Bei vielen Menschen lässt der Kontakt irgendwann nach. Bloß die Häufigkeit, in der es bei mir passiert, lässt mich zunehmend davon ausgehen, dass da bei mir irgendwas schiefläuft, auch wenn es sicherlich nicht immer an mir liegt, wenn so etwas passiert.
Die Suche nach möglichen Ursachen ist allerdings mehr Tappen im Dunkeln. Fragen kann man die Leute aus naheliegenden Gründen nicht mehr. So bleibt es bei der Überlegung, was man falsch gemacht haben könnte und ob man eigentlich überhaupt etwas falsch gemacht hat.
Manchmal sind die Lösungen einfach. Wenn man sich ein halbes Jahr bei jemandem nicht gemeldet hat, weil man selbst zu viel um die Ohren hat und das Schreiben einer E-Mail mehr Konzentration und Ruhe erfordert als man aufbringen kann, kommt eine fehlenden Antwort auf Kontaktversuche wenig überraschend. In dem Fall hat man es verbockt. Damit muss man sich dann im Zweifel abfinden, auch wenn ein “Verschleiß” von ca. 1 – 2 Kontakten pro Prüfungsphase bzw. Semester durchaus eine schmerzhafte Sache sein kann.
In anderen Fällen kommt es ohne wirkliche Ankündigung. In diesen Fällen beginnt man dann, die letzten Kommunikationen nach Missverständnissen zu durchforsten. Wobei hier schriftliche Kommunikation einen klaren Vorteil gegenüber den Erinnerungen hat. Wenn ich in der Richtung nichts finde, kommt relativ schnell der Punkt, an dem mir die Ideen ausgehen und es auf ein reines Im-Kreis-Laufen der Gedanken hinausläuft.
Liegt es an mir?
Wenn ja, ist es etwas Grundsätzliches oder hab ich in irgendeiner Situation etwas Falsches gesagt?
Wenn es etwas Grundsätzliches ist, warum hat die Person das nicht gesagt?
Und wenn es nicht an mir liegt, liegt es an der Person selbst?
Überhaupt, kann ich irgendwas dagegen tun?
Solche Gedanken rauben Kraft und Zeit. Ein brauchbares Ergebnis bringen sie in den seltensten Fällen. Das Ergebnis ist ein Kontaktschwund, bei dem ich entweder die Ursache finde oder mich damit abfinden muss, wenn ich nicht den Umgang mit Menschen an sich aufgeben möchte, oder damit beginne, Abmeldeformulare an alle Menschen, die ich länger als zwei Wochen kenne, zu verteilen.
Hi H4wk!
Ich muss über deinen Artikel nachdenken, und zwar aus 2 Gründen:
– ich kenne das Phänomen, sehe es aber etwas anders als du
– ich verstehe noch nicht, was genau deine Sorge / dein Missmut ist
Spontan fällt mir ein, dass es in der Tat so ist, dass bei mir im Kern nur in etwa 3-4 Kontakte „ein Leben lang halten“ und dies unabhängig vom Zeitraum zwischen den Kontakten. Heißt, diese Kontakte werden immer wieder, auch nach Monaten / Jahren, wechselseitig beiderseitig aufgenommen und damit aufrecht erhalten.
Alle übrigen Kontakte entstehen durch einen temporären Kontext und können sich jederzeit und ohne Vorwarnung komplett auflösen. Und dies auch, wenn einseitig Fragen offen bleibem, etwa durch Mails, in denen Fragen gestellt wurden oder sogar Verabredungen getroffen wurden.
Das ist schon seltsam.
Ich muss nachdenken, warum das so ist.
Auch muss ich darüber nachdenken, warum ich selbst dieses Verhalten des „einseitig offenen“ Auflösens an den Tag lege, ohne das besonders in Frage zu stellen.
Zwei Fragen an dich: Ist dein Mussmut auch Sorge darüber, dass dies mit deinem Autismus zusammenhängt und dich deswegen zusätzlich beschwert? Erwartest du beständigere Kontakte?
Ich hoffe, meine Gedanken sind für dich nachvollziehbar und zutreffend.
Bis bald,
Splitterraum
Hallo Splitterraum,
ehrlich gesagt kann ich nicht behaupten vollständig zu verstehen, was du mir sagen möchtest, aber ich kann versuchen auf die Frage zu antworten, was ich erwarte.
Nichts. Aber ich wünsche mir, dass die Kontakte, die mir durchaus etwas bedeuten nicht einfach so abbrechen, ohne dass ich verstehe warum. Ich würde zumindest gerne das warum wissen, damit ich was dagegen tun kann. Dieser Umstand, dass die Situation mies ist und ich keine Ideen habe was ich dagegen tun kann bereitet mir Missmut. In Anbetracht der Anzahl der Kontaktabbrüche, die, wie ich ja auch im Beitrag schrieb, beachtlich ist, gehe ich eigentlich von einem Zusammenhang zum Autismus aus.
Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen.
du tust gut.
hoch! den kopf!
…so ein Fragebogen für Menschen, das wäre wirklich klasse…
h4wkey3, dein Text ist so toll, habe einiges direkt wiedererkannt
ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Kontakte mit temporärem Kontext sogar auf ziemlich verletzend-abrupte Art abreißen können:
ich hatte in der Schule eine Verabredung ins Kino getroffen, es war so eine Clique.
Ich stand alleine vorm Kino, niemand ist gekommen.
Als ich nachgefragt habe warum, sagten sie folgendes: da war noch eine Party von XY, das war „cooler“ als Kino, wir sind dann dort hin – und haben mich ausgelacht.
Heute würde ich wohl nicht extra nachfragen – wenn Leute sich entscheiden mich so zu versetzen breche ich meinerseits den Kontakt ab ( es sei den sie entschuldigen sich bei mir und zeigen, dass am Kontakt zu mir noch echtes Interesse besteht)
Manchmal ist es besser, Leute einfach gehen zu lassen, als zu sehr Mühe reinzustecken die sowieso nichts heilen kann.
Ich habe ebenfalls nur 3 Leute im Bekanntenkreis zu denen wirklich dauerhafte Freundschaft besteht.
Hochinteressante Seite! Leider ist jetzt schon spät und ich bin müde und muss ins Bett. Aber ich werde morgen wieder kommen. Versprochen.
Denn nicht nur dieses Thema mit dem Fragebogen finde ich „wunderbar“, sondern auch viele andere Beiträge, zu denen ich Fragen bzw. Kommentare habe. Ich selbst bin wohl kein Autist, aber „normal“ bin ich auf keinen Fall.Und das ist gut so!
Viele Grüße
Renate
P. S.: So einen Fragebogen sollte man wirklich mal entwerfen. Klasse Idee!
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Hallo Hawk!
Ich lese schon eine Weile mit bei Dir und diese Frage hat mich jetzt doch ins Kontaktformular gelockt.
Wo Anfang und Ende einer Freundschaft sind, habe ich nie verstanden. Die Fragen, die man sich stellt, bringen nur sehr selten etwas.
Ich betrachte Bekanntschaften und Freundschaften als durchlaufende Posten, soll heißen, es gibt keine Schuldigen und meist auch keine gemeinsam zu identlifizierenden Gründe.
Ich glaube, das Austarieren von Nähe und Distanz gehört zu den zentralen Punkten bei Freundschaften. Deshalb sage ich dazu immer, wo ich stehe. Ich bilde mir ein, dass diese Information hilfreich ist. Ich habe da nichts, womit ich einordnen könnte.
Ich komme allein prima klar. Ich freue mich, wenn neue Leute hinzukommen. Wenn jemand „das Boot verlässt“ bin ich nicht zu Tode betrübt, es ist meistens schade, aber mehr nicht.