Tag Archives: Heilung

MMS – das bedenkliche „Wundermittel“

Dieser Text ist ein Gastbeitrag von outerspace_girl und ist ursprünglich in ihrem Blog erschienen:

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte stufte heute zwei „Miracle Mineral Supplement“-Produkte, kurz MMS genannt, als zulassungspflichtig und bedenklich ein. Das bedeutet, sie dürfen nicht mehr verkauft werden, bis ein Zulassungsverfahren Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bestätigt.

MMS ist ein Gemisch aus Natriumchlorit und Zitronensäure. Bei der Kombination beider Komponenten entsteht Chlordioxid, ein giftiges Gas, das unter anderem als Bleichmittel von Papier und zur Desinfektion eingesetzt wird. Gelangt dieses Gemisch in den Körper, kommt es zu Verätzungen, Erbrechen, Durchfall, starken Schmerzen und Atemproblemen. 
Trotzdem wird MMS von manchen Menschen als „Wundermittel“ gegen Krankheiten wie Krebs, Alzheimer und Multiple Sklerose, aber auch gegen Behinderungen wie Autismus eingesetzt. Die Anhänger dieses Mittels berufen sich dabei auf das Buch „Der Durchbruch“ von Jim Humble, seines Zeichens amerikanischer Erfinder. Seine Anhänger gehen beim Verbreiten dieser frohen Kunde äußerst aggressiv vor und sind mehr als überzeugt von diesem chemischen Cocktail.
MMS ist jedoch kein zugelassenes Arzneimittel, es wird nicht von Ärzten verschrieben und es gibt keine Studien zu den vermeintlich positiven Wirkungen. Gesundheitsbehörden warnen schon länger davor. MMS wurde daher als bedenkliches Präsentationsarzneimittel eingestuft, was bedeutet, dass der Hersteller Heilversprechen macht, die jedoch nicht bewiesen sind.

Autisten wehren sich schon sehr lang gegen die Versprechungen dieses vermeindlichen Wundermittels, das nicht selten auch Kindern verabreicht wird, in der Hoffnung, man könne ihren Autismus „wegätzen“. Die betroffenen Kinder leiden schwer unter den Nebenwirkungen, die laut Humble die Wirkung erst bestätigen.
Die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, bleibt jedoch nur ein Schritt. Das BfArM hat mit seiner Entscheidung MMS als chemisches Gemisch nicht verboten, sondern lediglich zwei fertig gemischte Präparate des Herstellers Luxusline. Andere MMS-Mischungen dürfen weiterhin frei verkauft werden, auch ohne Bescheinigung ihrer Unbedenklichkeit. Die Anwendung von MMS wird von dieser Entscheidung nicht beeinflusst und die Mischung kann mit überschaubarem Aufwand selbst produziert werden.
Somit bleibt die Entscheidung alles in allem lediglich ein richtungsweisender erster Schritt, auf den noch viele weitere Schritte folgen müssen. Ein Grund, die Anstrengungen gegen MMS einzustellen, ist es jedoch in keinem Fall.

Die Krise geht um

Doch nicht nur die Banken dümpeln in der Krise, auch das Gesundheitssystem. Eine Autismus-Epidemie greift um sich. Immer mehr Kinder infizieren sich damit oder bekommen es durch Impfungen, deshalb müssen wir jetzt was tun und diese “Public Health Crisis” (Autism Speaks) bekämpfen.

Und jetzt mal ernsthaft…

In letzter Zeit vernehme ich wieder zunehmend den Wunsch und die Forderung man möge doch endlich ein Heilmittel finden. Man kann die armen Autisten nicht in ihrer eigenen Welt einfach alleine lassen. Zunehmend höre ich solche Aussagen auch von Autisten, die mir erzählen sie wollen nicht mit dieser Behinderung leben.
Fakt ist, es wird in naher Zukunft (ich persönlich sage auch in ferner) Zukunft keine Heilung geben. Es gibt bisher nicht mal eine wirklich rein medizinische sichere Diagnosemethode (korrigiert mich bitte wenn ich da falsch liege). Selbst wenn es eine gäbe würde sie uns erst mal näher an neue Abtreibungsrekorde als an eine Heilung bringen.
Dennoch werden Millionen verpulvert um die Welt wachzurütteln und ihnen zu sagen das wir dringend eine Heilung brauchen.

Autismus ist ein Problem für die Gesellschaft, bis zu diesem Punkt sehe ich in der ganzen Argumentation noch einen gemeinsamen Nenner, aber die Lösung für dieses Problem liegt nicht darin das wir alle Autisten auf der Stelle heilen und bis wir das tun malen wir ein paar Protestbänder, sondern wir sollten jetzt etwas tun. Das kann einfach Aufklärungsarbeit sein, oder vernünftige Weiterbildungskonzepte, Ämter die darüber hinausdenken das ein Schwerbehindertenausweis ein prima Ticket ist um in die Rente zu kommen, oder wahlweise in eine Werkstatt.

Eine Diagnose ist nicht das Ende, sondern ein Anfang. Doch grade in diesem Punkt gibt es an vielen Stellen (definitiv nicht an allen) noch großen Nachbesserungsbedarf. Oftmals bekommen Menschen ihre Diagnose und keine weiteren Informationen oder Hilfsangebote, da ist es beinahe selbstverständlich das sich eine gewisse Hilflosigkeit herausbildet.

Autisten können oftmals so viel mehr als man ihnen gemeinhin zutraut (ich schließe hier mal die Savants und die typischen Vorurteile aus). Man muss nur mehr Hilfen anbieten wie man mit dem eignem Autismus und der Welt umgeht.

Vielleicht bräuchten wir dann gar keine Heilung für Autismus.