Category Archives: Mein Autismus

Fee – Autismus heißt für mich, oft sprachlos zu sein

Autismus heißt für mich, oft sprachlos zu sein. Ich habe Worte für Alltägliches, aber keine Worte für meine Gedanken. Das ist manchmal schlimm. Ich würde gerne schreiben – einen Blog oder ein Buch, wie so viele andere es tun, aber meine Gedanken sind oft zu weit weg für Worte. Ich würde auch gerne mehr über die Dinge in meinem Kopf reden, aber es ist schwierig. Ich kann natürlich ein wenig schreiben, tu es ja gerade, aber es ist so anstrengend, dass ich es meistens lasse. Genauso mit dem Reden. Früher habe ich noch Gedichte geschrieben. Da habe ich Worte wie Farben benutzt und damit gemalt (die reine Bedeutung war nebensächlich, eher eine Komposition aus Klängen oder ein Gemälde aus Wortbildern), aber auch das ist mir inzwischen abhanden gekommen.

Autismus heißt für mich ebenfalls massive Probleme mit der exekutiven Funktion. Damit ich Dinge selbstständig tun kann, muss ich sie viele hunderte, tausende Male getan haben, bis sie derart Routine sind, dass sie nicht mehr in zu viele Details zerfallen, die mich gnadenlos überfordern. Das kann so etwas einfaches wie Zähneputzen sein. Es fällt mir leichter zu reagieren, als zu agieren.

Letztendlich bin ich indirekt durch meinen Autismus auch häufig extrem erschöpft. Ich bin so reizoffen, dass mir alles schnell zu viel wird, besonders Geräusche und Lichter und Menschenmassen. Stress kann ich nicht gut aushalten.

Autismus heißt für mich aber auch, jemand zu sein, der sich über Kleinigkeiten wie ein Kind freuen kann, und ich glaube, mein Autismus und meine Andersartigkeit – und die jahrelange Auseinandersetzung damit – lässt mich die Welt heute mit viel Offenheit,Verständnis und Freundlichkeit betrachten.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du auf dieser Seite.

Fee, 39 Jahre, wurde mit Anfang 20 als Asperger-Autistin mit zusätzlichem ADS diagnostiziert.
Sie liebt Hunde und die Natur und kann hier erreicht werden.

Systemsurfer – Interaktion.exe

Das, was mich bis zuletzt daran zweifeln ließ, ob ich denn wirklich Aspergerautist sei, war die bis heute geläufige Annahme, Autisten hätten ein Problem, Emotionen des Gegenübers wahrzunehmen. Doch die Wahrheit ist das Gegenteil, zumindest für mich: Die Gefühle der Anderen, des Films, den ich schaue, der Musik, die ich höre, drohen mich ständig zu überwältigen. Bin ich unachtsam und habe den „Schalter“ im Kopf nicht umgelegt, bin ich ihnen wehrlos ausgeliefert. Meine einzig verfügbare Reaktion ist dann: unkontrolliertes Weinen. Das irritiert meine Umwelt und ist — in vielen Situationen — unprofessionell; ist der Schalter jedoch umgelegt, wirke ich kalt und distanziert. Dilemma.

Wut und Traurigkeit in der Mimik der Anderen kann ich nicht unterscheiden. Alles, was ich spüre, ist eine fast greifbare Emotionenwand. Ich sage immer: Ich „schmecke“ den Raum. Dass ich mit Gesichtern ohne den Raumgeschmack nichts anfangen kann, ist mir erst bei meiner Diagnose bewusst geworden. Ich kann mit geschlossenen Augen einen Raum betreten und weiß, wie die Stimmung ist, weiß, ob ich den Schalter umlegen muss. Das alles schmecke ich am Gaumen, ganz körperlich, mit meiner Zunge. Am Irritierendsten ist ein Raum voller lachender Gesichter, der aber ganz anders schmeckt. Das passiert häufiger als man denkt; die Menschen sind trauriger als man annehmen könnte.

Man hat mir schon oft den fehlenden Blick für’s Große und Ganze vorgeworfen, besonders im Arbeitsumfeld. Das ominöse Konzept des Multitaskings geht vollkommen an mir vorbei: Ich kann stets nur eine Sache, und NUR eine Sache, die aber dann verdammt gut. Das reicht einem Chef aber fast grundsätzlich nicht. Lenkt man mich ab, habe ich das Spiel schon verloren. Arbeitsanweisungen sind grundsätzlich mangelhaft formuliert und lassen mich oft handlungsunfähig zurück. Anweisungen zwischen den Zeilen nehme ich nicht wahr.

Mein Blick für’s Detail hat nicht Wenige fast zum Wahnsinn getrieben. Die Welt liegt zerpflückt vor mir, und ich sehe mir jedes Stückchen genau an, ringe so lange mit mir, bis ich jedes einzelne beschreiben kann, Worte gefunden habe. Meine Sprache ist bildgewaltig — manchmal zu anstrengend für die Anderen. Das ist zwar eine meiner Stärken, und davon habe ich einige — doch leider kann man damit in dieser leistungs- und profitgeleiteten Welt nicht viel anfangen. Ich sage oft Dinge, die „man nicht sagt“, spreche Dinge an, die nicht angesprochen werden dürfen — und merke es nicht. Ich bin der große Irritator, der, permanent die Welt um sich herum berechnend, inzwischen in der Lage ist, ganz unauffällig zu erscheinen. Die Rechenprozesse auf allen Kanälen bekommt meine Umwelt nur noch selten mit. Das ist wie Multi-Threading im Programmieren, nur eben im echten Leben. Aber wie das mit menschengemachten Programmen so ist: ihre Codes haben Bugs.

Und dann läuft Interaktion.exe in einer Situation plötzlich nicht mehr.
Absturz.
Bluescreen.
Neustart.
Kompensieren, irgendwie.

DAS merken die Menschen: wenn ich plötzlich nicht mehr funktioniere und nur noch schaue, schaukelnd ins Leere starre, die Sprache weg ist. Das merken sie. Dass ich den Code seit 37 Jahren mühsam selbst schreibe, teste, verbessere und gleichzeitig vielleicht der empfindsamste Mensch bin, den sie kennen — das wissen sie nicht.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

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Systemsurfer ist im Alter von 33 Jahren diagnostiziert worden, hat ein Studium mehrfach abgebrochen und keine Berufsausbildung, liebt aber Philosophie und Literatur. Systemsurfer twittert, schreibt Kurzgeschichten und versucht sich auch an einer Webseite.

Nathalie: Überraschungsei

Mein Autismus ist mein persönliches Überraschungsei. Ich war mit seiner Tatsache von einem Tag auf den anderen konfrontiert, und muß seither mit ihm klarkommen. Dabei stelle ich immer wieder Eigenheiten fest, die mir vorher nie aufgefallen waren. Ich weiß erst jetzt, daß ich keine Gesichter erkennen kann. Die meisten Leute erkenne ich wohl an der Frisur oder dem Verhalten wieder oder daran, wo sie mir begegnen. Das bedeutet, ich grüße vorsorglich halbbekannte Leute, und ich muß die Augen aufhalten, um niemanden zu übersehen. Passiert natürlich trotzdem, weswegen ich als unnahbar oder arrogant gelte. Ebenso brauch ich manchmal lange, um soziale und Gesprächskontexte einzuordnen, vor allem, wenn mich Themen und Anfragen überraschen. Ich muß dann oft unbeteiligt oder verständnislos aussehen, auch deswegen gelte ich als unnahbar und arrogant. Meine lange Reaktionszeit hat mir schon viel Ärger eingebracht. Ich steck den Ärger nicht immer gut weg, hab doch ich immer den Schwarzen Peter: ich bin ja anders als die Mehrheit, ich muß mich anpassen. Die Fremdheit ist ein bestimmendes Gefühl, auch das nicht-Verstehen von feindseligen Reaktionen anderer. Das ständige Verkannt-werden und Mißverstanden-werden. Das ist manchmal fast traumatisierend.
Für andere überraschend ist oft, daß ich in meinem Inneren sehr emotional bin und viele Schwingungen spüre, auch feinste. Ich kann sie schnell rationalisieren, ich muß auch, sonst würde ich zusammenbrechen. Aber die Diskrepanz von „weichem“ Kern und „harter“ Schale bedeutet halt auch, daß mir von meiner Umwelt oft mehr zugemutet wird, als gut wäre. Ich habe so gelernt, lange durchzuhalten.
Mein Autismus verlangt mir ein ständiges Aufpassen ab. Ich bin befangen mit Anderen geworden, immer überzeugt, selbst falsch zu sein. Manchmal türmt sich ein hübsches Schuldkonto bei mir auf, bis ich es wieder abschüttle wie ein Hund sich Wasser aus dem Fell schüttelt.
Autismus heißt für mich auch, eine Doppelexistenz zu führen: nicht alle sollen davon wissen, zu groß die Angst, mir selbst beruflich und sozial zu schaden.
Im Alltag ist mein Autismus oft wie ein Minenfeld: er nimmt mir die Kontrolle über viele soziale Situationen. Ich kann mir nie sicher sein, wann ich jemanden verärgere, wann jemand plötzlich genug von mir hat, wann ich mich trotz meiner Mühen daneben benehme.
Andererseits habe ich gelernt, autark zu sein und flexibel. Geht das eine schief, versuche ich halt das andere. Was logisch und machbar ist, wird versucht. Ob „man“ das macht, ist zweitrangig. Es ist unglaublich befreiend, sich auf sein eigenes Urteil verlassen zu können und immer einen Plan B zu haben, improvisieren zu können. Ich habe mich selten mit einer Entscheidung vertan.
Schade ist, daß ich durch den Autismus zu ängstlich bin, meine Umgebung zu verlassen und auf Menschen zuzugehen: ich würde gerne viel mehr Menschen, andere Leben, andere Länder kennenlernen. Gott sei Dank, virtuell gibt es etwas Ersatz dafür.
Insgesamt gesehen, hält mich mein Autismus in einer Art Geiselhaft. Manchmal wär ich lieber frei, meistens aber leide ich am Stockholm-Syndrom: ich passe mich an und manchmal liebe ich ihn auch, diesen meinen „Autismus“.


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Nathalie ist Mutter von drei Kindern und im medizinischen Bereich tätig. Erst als ihre Kinder mit Asperger diagnostiziert wurden, wurde ihr selbst ihre Diagnose bewußt. Seither setzt sie sich intensiv mit dem Thema auseinander

Mützä – Mein Autismus in 500 Worten

Ich hechte gerade vollkommen überfordert durch eine Einkaufsstraße in Hamburg. Werde dabei fast von einem Bus überfahren. Habe ihn schlicht und ergreifend nicht wahrgenommen. Wie so viele Sachen in solchen Momenten.
Ich bekomme dann nicht mehr richtig mit, wenn mich jemand anspricht, wenn Ampeln rot/grün sind, wenn ich mich verlaufe, wenn ich im falschen Zug sitze, wenn ich in einer Schlange stehe und es weiter geht, etc. …

Für meine Eltern ist so etwas total unverständlich. Vollkommen irrelevant, wie oft ich es versuche zu erklären. Aber sie nehmen es zumindest hin. Das ist für mich schon sehr viel, denn früher hieß es immer nur „Stell dich nicht so an!“. Ich nehme ihnen das nicht übel, denn ich habe es nicht mal selbst verstanden. Ich habe mich nicht verstanden, lediglich in mir ein Problem gesehen.

Das ist auch so ziemlich mein größtes Problem, das mit meinem Autismus zusammenhängt. Klar, Overloads, Kommunikationsprobleme, …, alles nicht einfach. Auch für mich nicht. Aber für mich ist eher die Schwierigkeit, dass ich aufgrund solcher Probleme immer als Problem wahrgenommen wurde und man mir Dinge einredete. Wie z.B. dass ich die Familie zerstöre oder dass ich zu viel Zeit und Geld koste. Teils auch heute noch, aber zum Glück nicht mehr von meinen Eltern.
Ich habe immer noch ziemlich große Selbstbewusstseinsprobleme deswegen. Ich rede mir immer noch selbst ein, dass ich ein Fehler bin und alles nur verbocke. Obwohl ich mittlerweile weiß, dass es nicht so ist.

Ich will nicht den Autismus verfluchen, der hat ja auch den ein oder anderen Vorteil. Ich wünschte bloß, dass mir meine Probleme etwas früher bewusst geworden wären         und ich dementsprechend früher etwas hätte ändern können.


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Mützä ist Asperger-Autistin, wenn Sie nicht grade zur Schule geht, strickt und häkelt Sie und twittert darüber hinaus auch noch.

Fuchskind – Mein Autismus in 500 Worten

Es ist keine Marmelade mehr da. Also unsere Marmelade, es gibt nämlich nur eine Sorte, die mein Mitbewohner und ich gerne essen. Morgens gibt es für mich eine Scheibe Brot mit Erdnussbutter und besagtem Fruchtaufstrich, damit der gut Tag anfangen kann, besonders wenn ich aus dem Haus gehen muss. Mein kleines süß/salziges Rettungsboot, das mich durch die reizende Welt da draußen schippert.
Dazu gibt es schwarzen Kaffee aus einer gelben Tasse, das erinnert mich an eine Sonnenblume und die mag ich im Gegensatz zur richtigen Sonne richtig gerne. Wenn die gelbe Tasse gerade im Geschirrspüler ist, darf es auch eine andere Tasse sein. Dann muss aber ein Schuss Sojamilch in den Kaffee.

Ohne Frühstück funktioniert mein Tag nicht. Als würde ich versuchen, aus der Haustür zu gehen, ohne vorher das Bett zu verlassen. Es fehlt das Ritual, das mich in die laute Umgebung entlässt, das mir Sicherheit gibt. Es gibt viele Rituale, die meinen Alltag erleichtern, aber das Frühstück ist mit Abstand das Wichtigste.

Aber zurück zur Marmelade. Mein Mitbewohner mag sie gerne, aber manchmal isst er auch Cornflakes oder einen anderen Aufstrich. Sie ist für ihn nicht ganz so wichtig wie für mich. Normalerweise achten wir immer drauf, dass die wichtigsten Utensilien für unseren Alltag immer vorrätig sind, diesmal hat es aber irgendwie nicht geklappt. Da haben wir den Salat. Und auf den habe ich gerade gar keine Lust, nicht mal auf Obstsalat. Leider gibt es nur ein paar Läden, in denen es unsere Marmelade zu kaufen gibt und die sind nicht um die Ecke. Aber wie soll ich ohne Frühstück hinausgehen, in den entfernten und lauten Supermarkt? Und wenn die Marmelade diesmal gar nicht da ist? Oder zu hoch im Regal, so dass ich nicht herankomme, ich müsste jemanden um Hilfe bitten… Oder wenn…

Mein Mitbewohner schnappt sich seinen Rucksack und geht aus der Tür. Nach einer halben Stunde kommt er lächelnd mit 16 Gläsern unserer Marmelade wieder. Er hätte noch mehr mitgebracht, aber mehr passten einfach nicht in seinen Rucksack, sagt er. Ich setze Kaffee auf und wir frühstücken, während ich schon überlege, wo ich die ganzen Gläser verstaue. Für unser Marmeladenfach im Schrank sind es zu viele, aber ich bekomme das schon hin.

Mein Mitbewohner ist Autist, so wie ich. Er ist auch mein bester Freund. Wir verstehen uns und kennen unsere Macken, Stärken und Schwächen. Ich habe es noch nie so lange mit einem Menschen ausgehalten, schon gar nicht in einer WG. Freundschaften waren für mich immer schwierig, ständig hatte ich das Gefühl nicht zu genügen, egal wie sehr ich mich bemühte. Gleichzeitig war ich aber von der ständigen Präsenz, den Wünschen und Erwartungen der anderen Menschen schnell völlig überfordert. Mit ihnen konnte ich nicht leben, ohne sie fühlte ich mich auf Dauer aber auch zu einsam. Dazu bin ich noch ständig auf Hilfe von Außen angewiesen, um meinen Alltag meistern zu können. Wer hält das schon auf Dauer aus?

Manchmal wird mir bewusst, wie viel Glück ich mit meinem besten Freund habe. Ich glaube, heute Abend schauen wir mal wieder Loriot.

Loriot Comic von Fuchskind


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„Fuchskind ist eine 31 Jahre alte Asperger Autistin und zeichnet Comics, die sie unter anderem auf ihrer Website veröffentlicht: www.fuchskind.de.
„Schattenspringer“, ihre autobiographische Graphic Novel über das Asperger Syndrom, ist ab 18.03. als Print- und Ebook-Version erhältlich.“

sepia – Mein Autismus in 500 Worten

Ein Problem beim Schreiben dieses Textes war, dass es mir, als ein medizinischer und psychologischer Laie, schwer fällt, mein Verhalten einem bestimmten Syndrom zuzuordnen. Ich denke, nicht jedes Persönlichkeitsmerkmal eines Autisten lässt sich auf Autismus reduzieren. Schreibe ich über mich selbst schreibe ich daher nicht notwendigerweise von Autismus.
Jedoch bin ich wohl in der Lage, einige meiner Verhaltensweise korrekt als autistisch zu deuten. Denn wenigstens kenne ich die Diagnosekriterien und viele andere Autisten.

Hochsensibilität
Bei mir ist vor Allem Hochsensibilität stark ausgeprägt. Viele Geräusche machen mich nervös und ich kann vieles nicht ertragen, was in unserer Gesellschaft allgemein akzeptiert oder gar gefordert wird. So musste meine Familie wegen mir 2 Wellensittiche hergeben, weil ich deren Gezwitscher nicht mehr aushielt. Und wenn ich ein Klavierkonzert im Rahmen meines Klavierunterrichts aufführe, bittet meine Klavierlehrerin das Publikum darum, nicht zu klatschen. Das ist sehr entgegenkommend und ein großer Teil des Publikums hält sich daran. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie würden Geklatsche nicht ertragen: Bei praktisch jeder öffentlichen Aufführung wird geklatscht. Und jedes Mal steigt schon vorher die Angst vor dem Geräuschchaos und dem Lärm.

Mittlerweile habe ich mich etwas daran gewöhnt, aber es klappt trotzdem noch nicht ganz. Ich wünschte, wir hätten diese Geste gar nicht.

Kommunikation
Meine zweite Eigenschaft, die ich bei vielen Autisten sehe, ist, dass ich übers Internet weitaus besser kommunizieren kann, als im realen Leben. Dabei ist dieser Kontrast bei mir noch weiter ausgeprägt, als bei den anderen Asperger-Autisten, die ich kenne. Ich traf schon mehrmals andere Autisten bei Forentreffen (es gibt ja viele Selbsthilfeforen). Viele von ihnen können sehr geschwätzig sein, sodass häufig eine rege Diskussion über diverse Themen entsteht. Mir berichteten danach einige, dass sie überrascht seien, wie wenig ich gesagt habe. Nach meinen Beiträgen im Forum hätten sie mich anders eingeschätzt.

Zugegeben verstehe ich mich hier selbst nicht. Irgendwie fehlt mir oft die Motivation, spontan zu reden. Mir sind andere Leute oft zu egal und der Anstrengung nicht wert. Trotzdem war ich über mehrere Jahr Radiomoderator bei einem Lokalsender, sowie Vorjurymitglied und Reporter bei einem Jugendfilmfestival. Und noch heute nehme ich mich ab und zu beim Vortragen künstlerischer oder philosophischer Texte auf. Hier habe ich die Motivation, weil mich die Themen interessieren.

Spezialinteressen
Einige Autisten interessieren sich stark für spezielle Themen und können sich stundenlang damit beschäftigen. Bei mir ist es sehr etwa 10 Jahren das Thema Filme. Und damit habe ich einen großen Vorteil. Ich kenne Autisten, die nur ungerne über ihre Spezialinteressen reden, weil die Themen zu ausgefallen sind. Filme hingegen sind sehr beliebt und lassen sich leicht mit anderen Themen kombinieren.
Neben Filmen kann ich mich auch für andere Themen begeistern und bin oft zu viel mehr motiviert, als ich an einem Tag Zeit hätte. Beispiele dafür sind Kochen, Biologie, Planeten, Erkenntnistheorie, Poesie und natürlich Klaviermusik. Dennoch sind diese Interessen nicht so stark ausgeprägt, wie mein Interesse für Filme.


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sepia ist Asperger-Autist und 24 Jahre alt. Wenn er mal was anderes als Gastbeiträge für mich schreibt, schreibt er hier und will dieses Jahr seine ersten Gedichte veröffentlichen.

Outerspacegirl – Mein Autismus in 500 Worten

Auf meiner Liste stehen Duschgel und Zahnseide. Wenn ich die Dinge heute noch besorge, muss ich morgen nicht aus dem Haus. Einen oder mehrere Tage nicht aus dem Haus gehen zu müssen ist das oberste Ziel. Es ist unglaublich laut im Geschäft, das Stimmengewirr übertönt die Musik aus meinen Kopfhörern. Man rempelt, schubst, schiebt. Gegen mich, an mich. Ich will mich schütteln und schreien. Was wollte ich? Der Zettel. Mit der Liste. Das Regal verschwimmt vor meinen Augen. Wo ist das Produkt, das ich immer kaufe? Ich sehe, doch das Gehirn verarbeitet diese Informationen nicht mehr. Meine Hände verkrampfen sich, die Kiefer mahlen schmerzhaft. Atmen. Konzentrieren. Ich greife blind in die Produkte, renne zur Kasse, erzwinge ein Lächeln und stürme aus dem Geschäft.
Zu Hause merke ich, dass ich das Falsche nahm.

Ich bin Autistin. Mit Situationen wie dieser bin ich beinahe täglich konfrontiert. Manche sind leichter. Manche sind schlimmer. Ich wünsche mir eine Schutzblase als Lebensraum, abgeschottet und sicher. Meine Schutzblase ist im Moment aber nicht mehr als ein Stück nasse Pappe, das ich verzweifelt vor mich halte. Ja, ich komme nicht sonderlich gut zurecht, nehme das aber meist mit Humor und einer Menge Sarkasmus. Wenn es ganz brenzlig wird, steht mir eine Person zur Seite, die mich bei komplizierten und beängstigenden Aufgaben unterstützt, der Alltag und das Berufsleben wollen jedoch allein bezwungen werden. Mein Autismus ist keine Krankheit. Es ist eine neurologische Variation, die sich in etwa so äußert, als müsse man in Skikleidung schwimmen.
Aber ich habe nicht nur Defizite. Wenn mein Interesse geweckt ist und ich ausreichend Kraft habe, gehe ich völlig in einem Thema auf. Ich habe beispielsweise eine kleine Obsession für Worte. Ich liebe, wie sie aussehen, sich schreiben, wie sie sich anhören. Ich möchte sie alle verwenden, mit ihnen spielen und sie nutzen, um mich mitzuteilen, auch wenn Kommunikation kompliziert ist. In jeder Situation. Was auch der Grund ist, warum sich private Kontakte auf ein Minimum beschränken. Nicht, dass es mich belastet, ich habe nicht das Bedürfnis danach. Doch das Mysterium „Freundschaft“ würde ich schon gern verstehen und sogar umsetzen können.

Ja, im Großen und Ganzen bin ich glücklich. Ich habe so viel. Eine wundervolle Wohnung, in die ich mich zurückziehen kann, eine Arbeitsstelle, die mich zwar oft an meine Grenzen bringt und enorm stresst, in der ich aber nur in Teilzeit arbeiten muss, Familie und einen Partner, die hinter mir stehen und das Internet, das mich mit Leuten verbindet,  mit denen das Kommunizieren mehr ist als ein Spaziergang durch ein Minenfeld.

Mein Autismus war mir verhasst, als ich noch nichts von ihm wusste. Er hat mich stets ins Aus gestellt, mich anders sein lassen und mich zynisch und bitter gemacht. Seit ich ihn kenne und verstehe, mich verstehe, ist das Leben nicht unbedingt leichter, jedoch viel angenehmer. Zurückblickend stelle ich fest, dass ein großer Teil meines Lebens aus Unsicherheit und Scham besteht, unglaublich viele Erinnerungsklumpen, die ich fein säuberlich in geistige Regale geordnet habe. Nun habe ich eine Diagnose, was mir die Möglichkeit gibt, jeden dieser rot glühenden Brocken genau anzusehen und aufzulösen. Und sind die Regale dann leer, fülle ich sie mit Schönem.


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Outerspacegirl ist Ende 20. Wenn sie nicht gerade überlebt, twittert und bloggt sie.

Sophia – Mein Autismus in 500 Worten

Schon früh habe ich gemerkt, dass ich irgendwie anders bin als andere. Dieses Gefühl des Andersseins, des Sich-fremd-Fühlens zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Mal stärker, mal weniger stark, aber doch irgendwie immer vorhanden. Im Laufe der Jahre und auch mit therapeutischer Hilfe lernte ich zwar, wie soziale Interaktion funktioniert und inzwischen kann ich sogar von mir aus Kontakte zu anderen Menschen knüpfen. Doch so richtig „zu Hause“ fühle ich mich selbst in dem Freundeskreis, in welchem ich seit zwei Jahren festes Mitglied bin, noch immer nicht. Vielleicht auch, weil es sich für mich noch immer seltsam anfühlt, überhaupt so etwas wie Freunde zu haben. Für mich ist das nicht selbstverständlich, sondern ein Luxus. Es ist nicht so, dass ich vorher nie Freundschaften gehabt hätte, aber es war immer mit großen Mühen verbunden, diese aufrecht zu erhalten und so verliefen sie alle -mal nach kurzer, mal nach längerer Zeit- im Sand. Insofern bedeutet der Freundeskreis, in welchem ich zurzeit integriert bin, ein großes Glück für mich, auch wenn ich mich dort, wie gesagt, immer noch etwas fremd fühle.

Im Herbst fange ich an zu studieren, darauf freue ich mich, habe aber auch Angst. Einerseits bedeutet das Studium wieder mehr Struktur, klar definierte Aufgaben und allgemein ein strukturierter Tagesablauf. Im Moment befinde ich mich in diesem „Schwebezustand“ zwischen Abitur und Studium und die fehlende Tagesstruktur macht mir zu schaffen. Außerdem kann ich im Studium meine Stärken sehr gut einbringen: Autismus wird in den meisten Fällen über Defizite definiert, es gibt aber auch Dinge, die Autisten (häufig) besonders gut können. So habe ich beispielsweise ein sehr gutes Gedächtnis und kann Texte schnell und detailliert erfassen, was im Studium sicherlich von Vorteil sein wird.

Andererseits ist eine Universität natürlich viel größer als eine Schule, dort arbeiten sehr viel mehr Menschen, was mehr Lärm und somit Stress für mich bedeutet. Ich bin sehr geräuschempfindlich, immer, wenn ich unterwegs bin, und sei es auch nur ein Einkauf, brauche ich danach einige Zeit, in der ich alleine in meinem Zimmer bin, die Augen geschlossen habe und einfach nur die Stille genieße. Gerade auch, wenn zu der Reizüberflutung auch noch die Anstrengung durch eine längere soziale Interaktion hinzukommt, bin ich beim Nachhausekommen häufig kaum noch in der Lage zu sprechen und brauche diese Pausen. Vermutlich verbringe ich also überdurchschnittlich viel Zeit alleine in meinem Zimmer, das finde ich aber in Ordnung, da es einen notwendigen Ausgleich für mich darstellt.

Ich glaube, dass es im Leben genau darum geht: Einen Ausgleich zu finden zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Anforderungen, die das Leben nunmal stellt und die jeder erfüllen muss, damit eine Gesellschaft funktioniert.

Ich glaube, wenn man genau diesen Ausgleich schafft, kann man glücklich werden, egal ob mit oder ohne Autismus.


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Sophie ist Asperger-Autistin und 18 Jahre alt. Wenn Sie nicht grade Gastbeiträge für mich schreibt, beginnt diesen Herbst mit ihrem Studium.