Sehr geehrte Frau Schuster,
Sie haben mit ihrer offenen medialen Art viel dazu beigetragen, dass die Thematik Autismus und Asperger Syndrom von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wir begrüßen, dass Sie auch auf Ihrer Homepage versuchen mit gängigen Klischees und Vorurteilen über Autismus aufzuräumen. Sie schreiben auf Ihrer Homepage:
„Ich habe als Jugendliche die Diagnose Asperger-Autismus erhalten und setze mich seither für Menschen mit Autismus ein. Gegen die vielen Vorurteile in der Gesellschaft möchte ich ankämpfen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die offener ist für Menschen, die wie viele Asperger-Autistin, ein bisschen anders sind.“
Ich denke hier gibt es weder Kritik noch wird Ihnen jemand ernsthaft widersprechen. Im Gegenteil: Man muss sich freuen, dass es Autisten gibt die die Stärken Ihrer persönlichen Kommunikationsfähigkeiten nutzen um sich für andere Autisten einzusetzen.
Ein anderes wirklich bedeutendes Zitat von Ihrer Homepage sagt:
„Autismus macht vieles schwerer. Er darf aber nie ein Grund sein, aufzugeben.“
Dem können sicher die meisten Autisten zustimmen.
Nun hat eine gewisse mediale Präsenz und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit auch Nachteile. Man wird schnell selbst zu einem Muster für das wofür man steht und jedes Wort wird umso gewichtiger genommen.
Umso unverständlicher ist es wenn Sie schreiben:
„Als Autistin bezeichne und fühle ich mich nicht mehr. Diagnosen können zwar einem helfen, ein Stück seins Lebenswegs zu bewältigen. Sie sollten aber nie als unabänderliches Schicksal aufgefasst werden.“
Hierzu möchten die Unterzeichner dieses offenen Briefes folgendes anmerken:
1) Es entsteht der Eindruck, dass Autismus geheilt werden kann. Autismus kann nicht geheilt werden, und selbst wenn dies möglich wäre würden viele Autisten es gar nicht wollen.
2) Es entsteht des Weiteren der Eindruck, dass man seinen Autismus besiegen bzw. überwinden kann. Auch dies kann fatale Folgen für Autisten haben! Anstelle der von Ihnen angestrebten Offenheit gegenüber Autismus erreichen Sie hier eher den Trend zum Satz „Stell dich nicht so an, Autismus kann man überwinden!“ Es sollte mehr reflektiert damit umgegangen werden, Autismus ist nicht nur von Nachteilen begleitet. Man sollte den Autismus nicht überwinden, sondern damit umgehen lernen.
3) Sein Leben als Autist zu meistern bedeutet nicht das man sich seinem unabänderlichen Schicksal hingegeben hat! Man kann auch indem man zu seinem Autismus steht, stetig daran arbeiten besser damit umzugehen.
4) Wenn Menschen die mit Ihrem Autismus gut zurechtkommen diesen verleugnen bzw. in den Hintergrund drängen entsteht ein falsches Bild von Autismus! Wir denken das sie als Vorbild viel mehr erreichen könnten in dem sie sagen „Ich bin Autist, aber schaut, man kann damit Leben“ Meinen Sie nicht, dass eine erfolgreiche Autistin in der Öffentlichkeit mehr für Autismus bewegen und erreichen kann als jemand der nun sein Leben erfolgreich lebt aber die Bezeichnung „Autist“ ablegt? Es geht nicht darum stolz auf den Autismus zu sein, aber zu zeigen das man auch mit Autismus und dem gleichzeitigen offenen Bekenntnis „Ich bin Autist!“ der Gesellschaft zeigen kann: Autismus kann auch etwas positives sein!
Wir würden uns freuen, von ihnen zu hören und wenn sie über die Wirkung dieser Aussagen von ihnen nachdenken würden.
Gezeichnet
Querdenkender, Hawkeye, fotobus (alle Autisten) und alle die diesen Beitrag unterschreiben
Nachtrag: Auch wenn das eventuell an anderer Stelle so interpretiert wurde, kritisieren wir nicht Nicole Schusters Entscheidung, sondern die mögliche Wirkung der Aussage auf andere Menschen.
Wer diesen Brief mit zeichnen möchte kann gerne einen Namen und ggf. einen Link in den Kommentaren hinterlassen.
Danke, ihr beiden. Kann ich nur unterschreiben.
Der Brief gefällt mir persönlich gut, und drückt auch jenes Bild aus, welches bei diversen Aussagen enstanden ist. Sachlich und Objektiv geschrieben, so muss es sein.
Dem schlie0e ich mich an.
*unterschreib*
Ich unterschreibe ebenfalls.
Ich kann nur zustimmen.
Pingback: Zum offenen Brief an Nicole Schuster oder Braucht Wirsing-Essen eine Diagnose?
Sehe ich auch so. Ich unterschreibe mit.
*sign*
Sehr richtig. So viel Nicole Schuster durch ihre öffentliche Präsenz für Autisten getan hat, erweist sie jetzt einen Bärendienst, indem sie für sich die Bezeichnung ‚Autistin‘ ablegt. Bedauerlich.
ja. mit einem amputierten bein kann man sich sicher gut in seinem leben einrichten, aber es bleibt ab.
das beispiel habe ich nicht so geschickt gewählt, das weiß ich. nene… mein autismus amputiert mir echt nix, und schon garnicht den gefallen am leben. es ging mir um die unveränderliche basis meiner hirnorganischen besonderheit. meinen weg damit umzugehen kann ich ständig bearbeiten und für mich individuell gestalten.
kann ich nur unterschreiben
Hier kann ich mich ebenfalls anschließen!
Ich unterschreibe hiermit ebenfalls.
Frau Schusters „Werdegang“:
Jugendliche (Asperger-)Autistin ==>
=> (sinngemäße) Bemerkung auf ihrer alten Website: „Früher hatte ich noch einen strikten Tages-Ablauf; heute brauche ich den aber nicht mehr.“ ==>
=> Neue Website: „Als Autistin bezeichne und fühle ich mich nicht mehr.“
(Irgendwie scheint sie dort auf den Fotos meines Eindrucks nach doch reichlich gequält in die Kamera zu lächeln!) Liegt aber selbstverständlich alles in ihrem persönlichen Ermessen.
Colin Müller mit seiner Replik (hoffentlich habe ich den richtigen Begriff verwendet!) scheint für mich somit auch immer mehr zum „unsicheren Kantonisten“ in der Autismus-Szene zu avancieren. Aber: „Den Ball flach halten!“ Es ist eben seine Entscheidung, – Zitat: „… jedoch würde ich mich nicht als autistisch definieren.“ Genauso, wie jede(r) früher möglicherweise ebenfalls gedacht haben könnte, – Zitat – „… dass die Beschreibungen auf mich passen könnten …“ Tjaja, ist eben „alles Schnee von gestern“.
Gleichwohl stellt das Autismus-Kultur-Web-Projekt trotzdem eine beachtenswert große Leistung dar!
Auch ich kann dem offenen Brief nur zustimmen. Gerade von jemandem wie Nicole Schuster, deren offenen Umgang mit ihrem Autismus, Engagement für Autisten und Lebensleistung in so jungem Alter ich bewundere, hat mich diese irreführende Aussage überrascht und erschreckt.
Autismus kann man meiner Ansicht nach nicht überwinden. Ich halte das auch nicht für wünschenswert, weil die Art zu denken, wahrzunehmen und zu empfinden untrennbar zu einem Menschen gehört. Würde man sie ihm nehmen, wäre die ursprüngliche Persönlichkeit ausgelöscht und durch eine neue ersetzt. Lediglich ist es zu einem gewissen Grad möglich, die Schwierigkeiten, die Autismus oft mit sich bringt, zu überwinden. Das kann die Lebensqualität unter Umständen stark verbessern. Eine gute Kompensation jedoch als „Überwindung“ des Autismus zu bezeichnen, suggeriert, dass Autismus nichts anderes ist als Faulheit, Willensschwäche etc. Es blendet aus, dass auch viele unauffällige Autisten ihre Selbstkontrolle in Stresssitutionen verlieren, und dass die Kompensationsfähigkeit bei vielen mit zunehmendem Alter abnimmt – oft schon in relativ jungen Jahren. Das zur „Willensfrage“ zu erklären, bedeutet, Menschen mit oft gravierenden Problemen allein zu lassen.
Gerade in Zeiten, wo Autismus von „offizieller Seite“ auf „soziale Anpassungsschwierigkeiten“ reduziert wird, finde ich es gefährlich, wenn in der Öffentlichkeit stehende, beruflich erfolgreiche Autisten sich in dieser Weise äußern.
Ich bin Aspie und das ist gut so.
Hiermit unterschreibe ich den offenen Brief.
Ich stimme Leonora zu. Ausserdem sollte man nicht die motorischen Probleme einiger Autisten unterschätzen noch die zum Teil suboptimalen exekutiven Funktionen die neben den sozialen Problemen noch einiges an Alltagsproblemen nach sich zieht.
Autismus ist ein Teil der Persönlichkeit und nicht an Diagnosekriterien im eigentlichen Sinne gebunden, da Autismus eine Art des Denkens darstellt.
Wenn man sagt: „ich wünschte, du wärst kein Autist“ sagt man in Wirklichkeit „ich wünschte, du wärst jemand anderes und nicht die Person die du jetzt bist“
Lukas
Stimmt, motorische Probleme und eingeschränkte exekutive Funktionen führen ebenso wie etwa eine AD(H)S-Komorbidität noch zu einer „verschärften“ Problematik. Ich kenne das selbst leider sehr gut. „Überwinden“ lässt sich das alles auch nicht, obwohl man lernen kann, besser damit umzugehen. Bei der Vorstellung von der „Überwindung“ des Autismus werden auch diese Probleme negiert.
Zugegeben: der erste Teil des hier kritisierten Satzes könnte beim unbedarften Leser den Eindruck entstehen lassen, diese Behinderung könne man einfach „ablegen“. Die zweite Satzhälfte („Diagnosen können … aufgefasst werden“) finde ich einfach wunderbar, und viele in einem großen Internetforum organisierten Menschen mit Aspergersyndrom könnten sich ihn mal zu Herzen nehmen. Denn unter Aspies gibt es sehr paradoxe Verhaltensweisen: das Pochen darauf, sich nicht verändern zu wollen (das schließt auch Bereiche ein, die mit Autismus überhaupt nichts mehr zu tun haben), auf der anderen Seite endloses Klagen über Alltagsprobleme, Geldmangel etc.
Es geht ja nicht um Aspies die sich nicht verändern wollen, von denen es sicher einige gibt, sondern eben um den Unterschied zwischen „Ich gehe mit meinem Autismus so um das er mich möglichst wenig beeinträchtigt in meinem Leben“ und „Ich bin kein Autist mehr“. Der Kompensation sind allerdings Grenzen gesetzt, wo die liegen kommt auf den Mensch an, aber sie sind vorhanden. Das ist es was der zweite Satz eben verschleiert.
Auf NS‘ Website steht nicht, dass sie kein Autist mehr sei. Sie schreibt:
„Als Autistin bezeichne und fühle ich mich nicht mehr. “ Das ist ein Unterschied. Ich denke, sie will damit ausdrücken, dass dies nicht mehr ihr Leben bestimmt. Da sie in der Öffentlichkeit steht, muss sie auch öffentlich ausdrücken dürfen, wie sie sich sieht und wo sie Schwerpunkte setzt. Es gibt tatsächlich auch Aspies, die ihr Leben so einrichten und mit bestimmten Dingen umzugehen lernen (aufgrund einer Diagnose; dass diese wichtig für sie war, beton NS ja auch), dass das AS nicht mehr über das Leben bestimmt.
Wir kritisieren ja auch nicht ihre Entscheidung, wie wir im Nachtrag noch einmal explizit klarstellten, sondern die Aussage die das nach außen hin hat.
„Das ist ein Unterschied. Ich denke, sie will damit ausdrücken, dass dies nicht mehr ihr Leben bestimmt. Da sie in der Öffentlichkeit steht, muss sie auch öffentlich ausdrücken dürfen, wie sie sich sieht und wo sie Schwerpunkte setzt.“
Natürlich. Insofern halte ich ihre Entscheidung auch für strategisch motiviert und insofern verständlich. Da ihre neue Homepage sich in erster Linie an die Eltern autistischer Kinder handelt, halte ich für möglich, dass sie für diese langfristig eine Ansprechpartnerin, Beraterin, ein Coach etc. werden will. Vielleicht wird die Homepage in dieser Hinsicht demnächst noch weiter ausgebaut. Bei denen kommt ihrer Einschätzung nach vermutlich besser an, wenn sie angibt, ihren eigenen Autismus überwunden zu haben. Schließlich sind Eltern in dieser Situation meist mit ganz konkreten Problemen konfrontiert. Da denken sie wenig an Selbstakzeptanz im Erwachsenenleben, die möglichen Folgen von ständiger Selbstverleugnung usw. Da zählt, dass das Kind sich *jetzt* soweit anpassen kann, dass es zurecht kommt. Eine erfolgreiche junge Frau, die selbst ihren Autismus „überwunden“ hat, ist als Coach da sicher gefragter als eine, die sich noch als Autistin bezeichnet und von weiter bestehenden „Tics“ oder persönlichen Problemen schreibt.
Edit: ich meinte natürlich, „an die Eltern autistischer Kinder wendet“, nicht „handelt“.;)
Hallo,
„Eine erfolgreiche junge Frau, die selbst ihren Autismus „überwunden“ hat, ist als Coach da sicher gefragter als eine, die sich noch als Autistin bezeichnet und von weiter bestehenden „Tics“ oder persönlichen Problemen schreibt.“
Genau das finde ich eigentlich schade! Warum sollte man sich als Autist nicht outen dürfen ohne gleich Nachteile zu befürchten! Es sollte doch die Arbeitsleistung zählen und nicht das was man ist, oder?
Das zweite Problem das ich persönlich sehe (etwas überspitzt ausgedrückt!): Wenn nun jemand der seinen Autismus „überwunden“ hat Eltern berät. Zu was führt das? Ich befürchte zu einer Flut von autistischen Kindern die gesagt bekommen: Nicole Schuster hat es geschafft, das MUSST Du auch schaffen!
„dass das AS nicht mehr über das Leben bestimmt.“
Aber selbst wenn AS das Leben nicht mehr „bestimmt“, man ist und bleibt Autist!
„Denn unter Aspies gibt es sehr paradoxe Verhaltensweisen: das Pochen darauf, sich nicht verändern zu wollen (das schließt auch Bereiche ein, die mit Autismus überhaupt nichts mehr zu tun haben), auf der anderen Seite endloses Klagen über Alltagsprobleme, Geldmangel etc.“
Daran störe ich mich auch. Wird u.a. das Thema einer meiner kommenden Beiträge in der Reihe „Autismus quergedacht“ sein.
Querdenkender
„Genau das finde ich eigentlich schade! Warum sollte man sich als Autist nicht outen dürfen ohne gleich Nachteile zu befürchten! Es sollte doch die Arbeitsleistung zählen und nicht das was man ist, oder?“
Das sehe ich ja genauso, aber hier geht es wahrscheinlich um eine geschäftliche Abwägung, was bei Eltern, die die Diagnose für ihr Kind vor kurzem bekommen und sich noch nicht soooo intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt haben, besser ankommt. Da denke ich schon, dass „Überwindung“ für die gut klingt. Schade finde ich das auch – da braucht es noch viel gesellschaftliche Aufklärung.
„Das zweite Problem das ich persönlich sehe (etwas überspitzt ausgedrückt!): Wenn nun jemand der seinen Autismus „überwunden“ hat Eltern berät. Zu was führt das? Ich befürchte zu einer Flut von autistischen Kindern die gesagt bekommen: Nicole Schuster hat es geschafft, das MUSST Du auch schaffen!“
Das finde ich ebenfalls problematisch.
Der Hinweis dieses offenen Briefes ist richtig und wichtig, wo es doch bis vor wenigen Jahren, noch die Mütter waren, die für den Autismus ihrer Kinder verantwortlich gewesen sein sollen!
Leider ist die Tatsache, wie sich Autismus in der Realität darstellt, noch immer nicht bei allen „Fachkräften“ angekommen. Da ist dann eben die Mutter weiterhin angeblich nicht in der Lage, ihr Kind richtig zu erziehen.
In so fern ist der Hinweis der Briefes sehr berechtigt, denn Nicoles-Aussage, das sie sich nicht mehr als Autistin bezeichnet, könnte sonst evtl., durch Oberflächlichkeit, falsch verstanden werden.
Ob man sich in Anbetracht dessen, daß ehe alle wissen, das man autistisch ist, sich dann noch als Autist bezeichnet oder nicht, ist dann eher eine Entscheidung, die eh meist ohne größere Auswirkungen aus die öffentliche Darstellung bleibt, weil das machen für Nicole ja eben schon genug andere, so daß es kein Informationsgewinn ist, wenn man es auch noch mal selbst tut.
[…](Von der Administration editiert)
Das man sich nicht als Autist fühlt, ist dann etwas ganz anderes, selbiges ist völlig unabhängig davon, ob man die Diagnose offentlich verkündet und wie man es tut, bzw. ob es andere für einen Übernehmen.
So kann man sich als Autist bezeichnen, weil es nach Diagnose ist, es aber muß sich deshalb noch lange nicht auch so fühlen. Warum sollte man nicht in passenden Momenten zu seinem Autismus stehen können, deswegen hängt man sich ja noch lange nicht auf der Straße für alle sichtbar ein Autist-Schild um. Klar ist das ganze auch abhängig vom Bekanntheitsgrad der Person, aber die ganzen Nebenbedingungen, die auch noch eine Rolle spielen, sollen und können hier eh nicht erschöpfend behandelt werden.
Pingback: Die Verschmelzung aller Störungen – oder – Wieso man differenzieren sollte | dasfotobus
Hallo, ich bin über den Link bei Autismus-Kultur hier gelandet und kenne Nicole Schuster aus einigen TV-Auftritten.
Auf das Thema Asperger kam ich vor einem halben Jahr über Roman (Hoch21), der in einem Podcast erzählte, Aspie zu sein. Mein Gedanke dazu: Wieso, der ist doch ganz normal! Hatte nämlich schon ein Interview mit ihm gehört. Normal so im Sinne von: Er hat Freundschaften, er hat sogar Sex, er geht auf Gesprächspartner ein – das ist doch nicht autistisch?
Ich habe mich dann etwas in das Thema Asperger eingelesen und gemerkt, dass ichwahrscheinlich die Aspies übersehen und die hochfunktionalen Autisten für Aspies gehalten hatte. Und ich glaubte schließlich einigen Leuten, dass sie womöglich Aspies sind, während ich das davor für übertrieben oder für kokett gehalten hatte. Unter den möglichen Aspies ist auch ein Freund, mit dem ich mal kurz liiert war und der dazu neigt, mich in unpassenden Momenten mit seinen Weisheiten zuzutexten 😉 Außerdem entdeckte ich leichte Übereinstimmungen zwischen Asperger und mir selbst. Das erkläre ich mir inzwischen so, dass die Hochsensiblen in dem ganzen Spektrum gewissermaßen die Nachbarn der Aspies sind (*).
Für mich macht also die Unterscheidung zwischen Aspies und HF-Autisten erst mal Sinn, auch wenn die Übergänge fließend sein mögen. Das sind sie ohnehin immer, auch zwischen Neurotypicals und ADS, Aspies und ADS, Aspies und Hochsensiblen, etc., trotzdem haben diese Kategorien ihren Sinn.
Vielleicht werden ja Aspies und HF-Autisten neuerdings in einen Topf geworfen, damit sich die Ärzte bei der Diagnose Zeit sparen und nicht die halbe Lebensgeschichte durchgehen müssen? Diagnostik nur noch als effiziente Momentaufnahme des aktuellen Verhaltens, wie gut funktioniert er / sie, ohne tieferes Verstehen der inneren Themen?
Und was die Lebensgeschichte angeht, die Geschichte von Nicole Schuster klingt für mich mehr nach HF-Autismus als nach Asperger. Und da ist ja ein starker Entwicklungsschub typisch, der vielleicht auch ein wenig erklären würde, warum sie den Eindruck hat, dass sie ihren Autismus überwunden hat. Ich kann sie jedenfalls nicht recht als Beispiel für Asperger sehen. Was natürlich auch damit zu tun haben kann, dass ich vor allem relativ unauffällige Aspies kenne.
*) These hier in den Buchrezensionen gefunden: http://www.aspies.de/pdf/aspies-newsletter-9-2010.pdf
Die These mit der Zeit halte ich für nicht so wahrscheinlich. Ärzte die nur nach Momentaufnahmen und in unter einer Stunde Gespräch diagnostizieren hast du auch jetzt schon. Vernünftige Diagnosen werden auch weiterhin ihre Zeit brauchen, und gute Ärzte werden sich die Zeit dafür nehmen.
Auch wenn es ökonomisch-berufliche Überlegungen sein sollten, die Nicole Schuster zu diesem Schritt bewogen haben: der Lebensunterhalt muss eben irgendwie bestritten werden. Wenn man noch so jung ist und noch eine lange Lebensphase vor sich hat, können solche existenziellen Gedanken schon mal die Oberhand gewinnen. Allerdings erwarte ich von ihr, daß ihre Entscheidung endgültig ist. Nach einiger Zeit wieder „umzusatteln“, also Autismus je nach Bedarf oder Lebenssituation, wäre in meinen Augen reiner Opportunismus.
„Auch wenn es ökonomisch-berufliche Überlegungen sein sollten, die Nicole Schuster zu diesem Schritt bewogen haben: der Lebensunterhalt muss eben irgendwie bestritten werden. Wenn man noch so jung ist und noch eine lange Lebensphase vor sich hat, können solche existenziellen Gedanken schon mal die Oberhand gewinnen.“
Oh, ich kann Nicole Schuster da durchaus gut verstehen. Eventuell sieht sie in einer freiberuflichen Tätigkeit ihre besten Chancen. Die Arbeitgeber in der Wissenschaft sind trotz aller „Lippenbekenntnisse“, trotz aller „politischen Korrektheit“ keineswegs aufgeklärter und offener als der Rest der Welt. In der freien Wirtschaft wäre sie vermutlich dem Stress auf einer „interessanten“ Stelle nicht gewachsen. die einzige Alternative zur Freiberuflichkeit wäre daher wohl ein unterqualifizierter, u. U. langweiliger Job. Da ist es absolut verständlich, sich pragmatisch zu verhalten.
„Allerdings erwarte ich von ihr, daß ihre Entscheidung endgültig ist. Nach einiger Zeit wieder „umzusatteln“, also Autismus je nach Bedarf oder Lebenssituation, wäre in meinen Augen reiner Opportunismus.“
Das sehe ich ebenso. Dann noch einmal die „Autistenkarte“ zu ziehen, wäre schwach. Ihr ist nur zu wünschen, dass sie die Kraft hat, jetzt dabei zu bleiben.
Ich finde die Gedankengänge der Kritiker zwar nachvollziehbar, aus einer sehr analysierenden Sicht, aber mal ganz ehrlich. Wenn Nichtautisten Autismus als etwas Überwindbares sehen wollen, dann werden sie das auch ohne Nicoles Aussagen tun. Sie tun das auch mit Depressionen, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen…etc. Frei nach dem Motto „Alles wird wieder gut.“, Hauptsache heile Welt. So erlebe ich die Menschen seit meiner Geburt. Nicoles Darstellung ihrer eigenen, persönlichen Sichtweise, sollte als mutigen Einsatz ihrer Person gesehen werden, um den Leuten überhaupt zu sagen:“Hey, hallo, hier gibt es ein unsichtbares Wesen, das man Asperger nennt.“
Und schließlich: Ich finde die Aussage fraglich, „Wir kritisieren nicht, wir kritisieren nicht dies, sondern nur das.“ Sorry, aber ist mir eine Spur zu überkandideldidideldidüt.
Gruß.
Die Behauptung, dass viele Nichtautisten, Autismus als heilbar oder überwindbar sehen würden, auch wenn es die Aussagen von Nicole Schuster nicht gebe stimmt wohl. Das Problem ist, dass solche Aussagen, wenn sie von Menschen kommen, die eine hohe mediale Präsenz haben, einen ziemlich guten Nährboden für solche Aussagen liefern, statt ihnen entgegen zu treten. So wird es zum Beispiel noch schwerer Eltern zu erklären, das Autismus nicht heilbar ist. Die Tatsache, das sie jetzt Bücher für Eltern und Lehrer schreibt macht das Probleme noch größer. „Die Schuster hats doch auch geschafft“
Es liegt mir fern, die Leistungen, die Nicole Schuster in der Öffentlichkeitsarbeit für Autisten vollbracht hat zu schmälern, der Brief beginnt damit diese Leistungen zu würdigen.
Noch ein Wort zum Nachtrag: Ich bin der Meinung, dass Kritik und Anmerkungen differenziert betrachtet werden sollten. Deshalb steht deieser Nachsatz dort, um noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir eben nicht „Alles Scheiße“ finden, sondern lediglich Teilaspekte kritisch beleuchten.
Wie gesagt, ich finde viele Deiner Argumente gut nachbollziehbar und auch verständlich. Jedoch bleibt für mich die wörtliche Ambivalenz zwischen „keiner Kritik“ und „doch Kritik“. Finde ich etwas unglücklich formuliert. Ich hätte es andersherum ehrlicher gefunden. Zu sagen „Mich persönlich stört etwas“, steht auf einem anderen Blatt, als für die Allgemeinheit „Probleme“ festzulegen. Hey, ich finde es gut, wenn mal einer sagt: Der und der Eindruck entsteht, aber das ist nicht Norm.
In dem Brief steht nirgends, dass keine Kritik geübt wird, der Nachtrag wurde dort hinein gesetzt um zu verdeutlichen auf welche Aspekte sich die Kritik bezieht. Außerdem wird in dem Brief nirgends geschrieben „So ist es“ sondern lediglich „So kann es wirken“
Üblicherweise spiegelt ein Brief ohnehin die Meinung des Autors (beziehungsweise in diesem Fall, die der Mitzeichnenden) wieder. Das ist bei diesem nicht anders.
Nachtrag: Ich finde NICHT, daß ein Mensch, der einmal in die Öffentlichkeit gegangen ist, mir oder dem Rest der Welt gegenüber irgendeine Pflicht hat. So eine Erwartung ist besitzergreifend.
Nur weil man im laufe der Zeit einen Namen für seine Wahrnehmung nicht mehr so gewichtig sieht, heißt das auch noch lange nicht, daß die Person sich plötzlich gar nicht mehr als Solches sieht. Ich finde hier wird sehr auf die Goldwaage gehauen und unfair beurteilt. Ich empfinde das als Turkey-Shooting. Meine Güte, dann geht doch selbst in die ÖA und machts besser. Dieses Aufgerege regt mich auf.
Ich sehe Nicole Schuster in keiner Pflicht. Nachdem ich den Brief jetzt noch einmal las, habe ich immer noch keine Idee, wie du zu dem Schluss kommt es wäre so. Eben so wenig sehe ich die Aufregung. Dieser Brief hatte nicht das Ziel, Frau Schuster in irgendeiner Weise bloßzustellen, oder zu diskreditieren, sondern Probleme darzustellen, die ihre Aussage schafft.
Das ich diesen Blog hier betreibe und mich, grade in diesem Moment, mit deinem Kommentar auseinander setze betrachte ich übrigens als Öffentlichkeitsarbeit.
Mit dem Tenor der Kommenare hier, kommt aber sehr stark der Eindruck einer sehr Detallierten Erwartungshaltung herüber. Der Zwischenklang ist: „Na wenn Du schon in der Öffentlichkeit sprichst, dann aber bitte so und so und so.“ Öffentlichkeitsarbeit im Fernsehen und unter Offenlegung der eigenen Privatsphäre, sich ständig Fragen stellen und die richtigen Worte vor laufenden Kameras oder Tonbändern finden zu müssen, sehe ich schon noch etwas differenziert von anonym einen Brief schreiben. Viele Kommentare hier über mir, sehe ich als unnötige Aufbauschung…das ist wohl das, was ich mit Aufregung meine. Ich empfinde das so. Ich kann mich natürlich auch irren und es hat sich Niemand durch Nicole Schusters Worte tatsächlich emotional aufgeregt; das kann ich natürlich nicht beurteilen
p.s.: Finde es trotzdem gut, daß Du Dich damit auseinandersetzt und reflektierst. Es kann nur auch mal sein, daß eine Meinung durch den weiteren Antrieb in eine falsche Richtung abgleitet. Das nennt sich dann Medienschlacht. Und das passiert manchmal schneller als man denkt. Schwupps, hat man jemanden verteufelt, den man gar nicht verteufeln wollte. Und schwupps, sind viele, die voher der einen Meinung waren, plötzlich einer ganz anderen. Ich denke, darauf muß auch geachtet werden, und überlegt werden, wie sich Derjenige wohl fühlt, wenn er plötzlich so etwas über sich liest. Und damit meine ich weniger Deinen Brief, als die Kommentare. Bei Deinem Brief wird sie sich wohl eher denken: Mißverstanden. Etwas Anderes sind aber öffentliche Überlegungen zu ihrer Person, die teilweise schon ziemlich grenzüberschreitend sind. Was geht uns ihr Geld oder ihre Motive an, um mal nur ein Beispiel zu nennen. Plus: Früher war sie mal sowieso, heute sowieso…schade. Sowas ist menschlich gesehen jenseits von fair.
Dieser Blog besteht übrigens aus mehr, als nur diesem einen Brief. Natürlich gibt es Abstufungen dahingehend, wie öffentlich so die Öffentlichkeitsarbeit ist. Auf die Kommentare will ich hier garnicht näher eingehen.
Wenn Frau Schuster diesem Brief richtig liest wird ihr, sofern es ihr noch nicht klar war, klar welche Wirkungen ihre Aussagen hinterlassen KÖNNEN. Mehr schreiben die Autoren nämlich nicht.
Aber auch noch mal kurz zum Inhalt Deines Schreibens. Wie schon gesagt, ich empfinde die zusätzliche Gefahr ihrer Aussagen als nicht so stark, wie die Gefahr, in der sich ein Autist sowieso schon ständig befindet. Wir werden ständig, ob gewollt oder unbeabsichtigt von NTs verletzt oder mit falschen Erwartungen oder Titeln versehen. Und das ist eine Tatsache, durch die sich ja jeder von uns allein und ein Leben lang durchkämpfen muss.
Mein Mann wird und hat mich nach ihren Worten nicht anders gesehen, als ich bin und wird nicht plötzlich von mir erwarten, daß ich mich heile. Genausowenig, wie die Mutter meines kleinen Aspie-Freundes plötzlich von ihrem Söhnchen Ähnliches erwarten würde. Eine Mutter, die sich mal ein Wenig mit ihrem Kind auseinandergesetzt hat…und das MUSS sie ja schon zwangsweise im Alltag, wird die Grenzen kennen und instinktiv wissen, was möglich und was nicht möglich ist.
Menschen, die hinsehen, werden immer solche bleiben. Und Menschen die wegsehen auch. Ich glaube nicht daran, daß dies durch ein paar Worte so leicht beeinflussbar wäre, denn hier geht es ja um eine Aussage, die sich im Leben bewähren müsste. Und ich glaube auch nach wie vor nicht, daß Nicole mit ihrer Aussage „losgesagt“ tatsächlich meint, kein Autist mehr zu sein. Und selbst wenn. So ist es immernoch Nicole Schuster und nicht jeder Autist der Welt. Soviel Differenzierung müssen wir leider auch dem gemeinen Homosapiens zutrauen.
Liebe Grüsse,
Amy Rose.
auch ich kann dem Brief voll zustimmen und unterschreibe ihn hiermit.
Dieser Brief ist mir zu plump, der Brief wollte ja nur auf was aufmerksam machen, wie jemand wirkt. Damit
diese Person sich besser darstellen kann und somit besser verstanden wird.
Ich finde den Brief plump, weil er sich selber davon nicht ablenkt kritikwirkend zu sein. Und das versuche
ich grad zu machen, damit mein ich möglichst nicht bei einen Standpunkt zu stehen sondern übersichtlich
die ganze Sache zu beschreiben.
Nicole hat nur das gesagt wie sie es empfindet und ich finde auch man sollte nicht den Namen einer Sache
wie Autismus ernst nehmen. Es ist doch nicht wichtig wie etwas heist, es richtig
heist oder ob es es ist.
Man könnte eine Schizoide- Anankastische- Neurosendysposition besitzen und alle denken man hat
Autismus, weil man genauso gleiche Symptome eines Autisten hat. Aber das MRT sieht dann doch anders
aus. Trotzdem kann man nicht noch ein Zentrum machen für solche Personen, die können doch genau so
wie Autisten behandelt werden, den sie benehmen sich genauso.
Ich will mit dem allen sagen, was ich hier schreibe, man kann nicht alles 1:1 interpretieren.
Und dieser Brief geht für mich gar nicht klar.
Aber der Autor hat recht das sie sich lieber anders ausdrückt hätte. Denn das Denken eines Menschens
kann man nicht so leicht durchschauen.
Die Kritik zum Brief kann ich nicht gut heißen und so was kann man nicht unterschreiben.
Ich kann nur befürworten, dass der Ausdruck eventuell anders getroffen werden könnte, also es so zu
unterschreiben und nicht anders.
Es liegt dennoch in der Freiheit des Redners, dass er etwas so ausdrücken kann wie er es will.
Mit den Grüßen von mir
nach euch, Jelsy
Ich unterzeichne ebenfalls. Ich engagiere mich auch im Bereich der Aufklärung, aber setze mich für mehr Verständnis für Autisten ein. Die Akzeptanz des *anders sein*. Ich bin Autistin und froh darüber, weil es mich einfach zu anderen Dingen befähigt. Und ja, man kann für sich Mechanismen entwickeln, die es einem leichter machen in der Gesellschaft, bleibt aber jeden selbst überlassen.
Danke für den offenen Brief.
liebe grüsse
Anna Maria Weicsek
Ich unterschreibe. Sehr gut formuliert. Und zusätzlich stehe ich auch hinter ganz vielen der klugen Reaktionen, die das Problem noch deutlicher machen.