Wovor ich Angst habe

Wenn man sich mit Autismus und den Medien beschäftigt, kann es mitunter passieren, dass man ganz furchtbaren Bluthochdruck bekommt. Viele Autisten werden nicht müde gegen all diese Fehldarstellungen, misskonstruierten Zusammenhänge und sachlichen Fehler anzuschreiben. Da werden Blogbeiträge geschrieben, Redaktionen angemailt und auch sonst auf den erdenklichsten Wegen versucht, gegen die Windmühlen der Redaktionen anzukämpfen.

Oft wird man dafür nur belächelt. Immer öfter muss man sich dafür rechtfertigen, warum man sich denn die ganze Mühe macht. Sollen die doch alle ihren Mist schreiben. Tut ja niemanden weh. Aktuell hat der Fokus wieder einmal einen Artikel geschrieben, der ja niemandem weh tut. Exakt zu begründen warum man sich darüber aufregt ist schwierig. Sicherlich geht es zum Teil auch einfach um das Prinzip, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn es mag stimmen, dass so ein einzelner Artikel niemandem groß weh tut.

Aber dummerweise ist es nie nur ein einziger Artikel. Es sind viele Artikel, immer wieder. Die immer wieder das gleiche falsche Bild von Autismus vermitteln. Das Bild von geistig behinderten gefährlichen Kriminellen und Amokläufern. Der Schaden jedes einzelnen dieser Artikel mag minimal sein, aber der Schaden den all diese Artikel gemeinsam anrichten ist immens. Durch diese konstante falsche Berichterstellung werden eben die Bilder in die Köpfe transplantiert. Je mehr Artikel, desto mehr festigen sich diese Bilder. Getreu dem Sprichwort des steten Tropfens, der den Stein höhlt.

Genau davor habe ich Angst. Denn das ist schon lange keine Hypothese mehr, sondern bereits jetzt Realität. Jeder der das sehen will, braucht dafür nur die Kommentare unter dem aktuellen Artikel des Focus zu lesen. @pollys_pocket war so nett die besten zusammenzutragen, einfach auf das gewünschte Bild klicken um es zu vergrößern:1

Wer sich die Kommentare nicht anschauen möchte, in der Kurzfassung ist, dass man geistig Behinderten halt keine Verschlusssachen anvertrauen sollte. Gepaart mit etwas Kritik daran dass Autismus ja ohnehin nur so eine Modediagnose ist, die dazu dient das Eltern Boni für ihre Kinder rausschlagen wollen. Dazu wird Autismus fröhlich mit krankhaftem Größenwahn, Selbstüberschätzung und einer Kontrollmanie gleichgesetzt, die letzten Endes zum Untergang der westlichen Welt führen wird.

All das verdeutlicht mir nur eines, der Schaden den diese Artikel anrichten ist kein Hirngespinst, oder eine bloße Angst vor denen die paar Autisten, die sich bloß aufregen wollen Paranoia haben. Das Bild dass all diese „falschen, aber im Grunde harmlosen“ Artikel von Autismus malen ist bereits in den Köpfen der Menschen angekommen. Menschen von denen ich befürchten muss, dass ich in meinem Alltag auf sie stoße, die mich allein aufgrund meiner Diagnose für eine Bedrohung und geistig behindert halten. Diese Vorstellung macht mir eine verdammte Angst. Aber das sollten mir die Klickzahlen der Online-Redaktionen dann doch wert sein.

 

Einen Beleg für die Behauptung der Spion sei Asperger-Autist hat der Focus übrigens in dem Artikel nicht angeführt.

  1. Anmerkung des Autors vom 29.01.2017: Die ursprünglichen Tweets sind leider nicht mehr abrufbar, unterhalb der Tweets sind einige Kommentare direkt verlinkt.

10 thoughts on “Wovor ich Angst habe”

  1. Pingback: Ich bin einfach nur noch müde | dasfotobus

  2. Bernd

    Ich finde es tieftraurig, wie Menschen hier abgestempelt und in Schubladen gesteckt werden. Jeder wird gegen Jeden ausgespielt. Wann lernen wir endlich Menschen nach ihrem Verhalten, ihren Taten zu beurteilen und unsere Gemeinsamkeiten zu entdecken statt unsere Unterschiede zu betonen?

  3. B.M.

    Ich finde nicht, dass der Fokus-Artikel suggeriert, sowas sei für das Asperger-Syndrom typisch. Der Hinweis, dass der Spion Aspie ist ist ja eher nebensächlich.

    1. Benjamin Falk Post Author

      @B.M.: Bei jedem Verfasser der hier angeführten Kommentare ist es sehr wohl so angekommen. Darum ging es mir ja auch im Grunde. Zu dem Zeitpunkt als ich den Kommentarstrang verfolgte war die Diskussion darum, dass der Spion behindert/krank/der Untergang des Abendlandes ist, die einzige Diskussion die dort geführt wurde.

  4. B.M.

    @Benj: Ja, weil es der Artikel so vorgibt. Aber wer weiß wie die Leute das gelesen hätten wenn der Artikel nicht diese Lesart vorgab.

  5. Nev

    Leider scheinen viele Menschen (vor allem in den USA) Autismus und die so genannten Cluster-B-Persönlichkeitsstörungen (antisozial, narzisstisch usw.) miteinander zu verwechseln – letzteres sind nach meinem Wissen Persönlichkeitsstrukturen, die man gelegentlich auch als „charaktergestört“ bezeichnen würde.

    Leute, die sich konsequent wie Arschlöcher aufführen, die größenwahnsinnig, extrem selbstverliebt oder extrem manipulativ sind, könnten (möglicherweise!) eine Charakterstörung haben. Ich habe aber schon öfter mitbekommen, dass Amerikaner die These aufgestellt haben, Leute mit solchen Charakterzügen seien möglicherweise Autisten. Das klingt für mich extrem abwegig. Wenn dieser Irrtum jetzt wiederum zu Vorurteilen gegen wirkliche Autisten führen sollte, fände ich das ziemlich erschreckend.

  6. Küstennebel

    Harald Schmidt hat mal gesagt, das jeder Behinderte das Recht hat verarscht zu werden.

    Und ich frage, wieso Autisten als Minderheit anders behandelt werden sollten als andere Minderheiten?

    Also die Minderheiten, die gerade nicht für politische Agenden oder unter die politische Korrektheit fallen?

    Es wird doch den meisten Minderheiten in der Medienwelt übelst mitgespielt. Eine „Nachricht“ in einer Zeitung oder ähnlichen Medien, die in aller Regel nicht Wahre Information verkauft, sondern Propaganda-Reklame-Katastrophismus und sonstwas die Leute aufregt, aufgeilt, anspricht damit die Auflage und Quote stimmt, und die Werbeeinnahmen fließen.

    Macht euch nicht verrückt, die Welt ist verrückt und das Lügen und Hetzen ist bei Medien das Normalste der Welt. Immerhin lebt die Medienbranche primär von der zwielichtigen Reklamepropaganda für Produkte, zunehmend sind Journalisten PublicRelation-Leute, für die gibts gar keine Berichterstattung mehr, sondern nur noch einen Auftraggeber, der einen Standpunkt vorgibt, der mit allen Mitteln in die Köpfe der Leserschaft gedrückt werden soll.

    Da wird doch deutlich, das man nicht viel darum geben sollte, was in Medien so geschrieben steht, bzw. mehrmals hinschaut, vergleicht, reflektiert. Und wenn man offensichtlichen Blödsinn liest, kann man ihn getrost sofort in die Tonne kicken.

    MFG

    1. Benjamin Falk Post Author

      @Küstennebel: Ganz so einfach ist es hier ja nun nicht. Die gleiche Argumentation trifft man auch bei Behindertenwitzen und da ist die Lage noch etwas anders, auch wenn das Kernargument gleich bleibt:
      Macht so viele Witze und Sprüche wie ihr wollte, solange sie niemandem Schaden. In diesem Fall der Falschberichterstattung ist aber eindeutig Schaden da, den jeder Autist bemerken wird, der diesen Kommentatoren über den Weg läuft. Wir machen uns nicht verrückt, sondern mit jeder misslungenen Berichterstattung werden Vorurteile erschaffen oder gefestigt, unter denen autistische Menschen leiden, auch wenn man das leider oft erst dann bemerkt, wenn man selbst davon betroffen ist.

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