bestOfCrumbs – Mein Autismus – oder: Ich möchte nicht tauschen

Mein Autismus ist immer in mir, bei mir, um mich herum. Mal stärker, mal schwächer. Aber er ist immer da und macht einen Teil meines Wesens aus. Die Art wie ich denke, wie ich wahrnehme ist von ihm geprägt. Mein Urbedürfnis ist es alleine zu sein, dann kann ich mich erholen, nehme meinen Körper war. Immer möchte ich nicht alleine sein, ich brauche den Kontakt zu den Anderen, aber nicht viel. Es gut wenn sie da sind und mich in Ruhe lassen. Sie nehmen mich als freundlichen, aufmerksamen, humorvollen und distanzierten Menschen war. Mit den Anderen in Kontakt zu treten ist jedes Mal eine neue Hürde, eine Herausforderung und oft nicht möglich. Es ist einfacher mit den Anderen die mir nahe sind, die ich mag. Aber auch bei ihnen brauche ich Aufwärmzeit, bin ich vorsichtig. Ich konzentriere mich auf das Gesagte, nehme die Mimik teilweise, den Ausdruck der Augen gar nicht war. Das macht es für mich schwierig, das Gesagte einzuordnen: War es ernst gemeint? War es ein Witz? Oder eine doppeldeutige Bemerkung? Was muss ich jetzt sagen? Mein Hirn arbeitet konstant im Überforderungsmodus. Humor und Ironie habe ich im Laufe des Lebens gelernt zu verstehen und benutze sie gerne. Bei unbekannten Anderen brauche ich lange, bis ich verstehe was und wie etwas gemeint ist.

Über meine Gefühle, Emotionen und Gedanken kann ich kaum reden, das ist kompliziert: Zuhören, verstehen, Antwort überlegen, reden. Das läuft oft parallel und blitzschnell bei den Anderen, ich kann das nicht. Ich höre zu. Pause. Ich versuche zu verstehen. Pause. Ich überleg mir eine Antwort. Pause. Jetzt rede ich, aber nur, wenn ich eine Antwort habe und ich wirklich reden kann. Gefühle und Emotionen die gleichzeitig durcheinander durch meinen Körper schleudern halten mich vom Reden ab. Bei Streit, wenn ich verletzt bin (sofern ich das merke), bei Pöbeleien oder bei Stress ist die Verbindung vom Hirn zum Mund unterbrochen. Ich kann dann nicht reden, schon gar nicht schlagfertig sein. Eine Antwort fällt mir dann Stunden oder Tage später ein, viel zu spät.

Schreiben geht besser, nicht einfach so, ist ein hartes Stück Arbeit aber ich habe genügend Zeit zu überlegen, die Sätze zu bauen und aufzuschreiben. Niemand von den Anderen steht oder sitzt in der Nähe und wartet.

Mein Autismus macht mich empfindlich. Geräusche sind oft laut oder störend, vor allem, wenn viele gleichzeitig sind. Das Licht, speziell die Sonne, ist zu hell. Berührungen am Körper erschrecken mich oder schneiden mir die Luft ab und lösen innerliche Fluchtwünsche aus. Direkten Augenkontakt mit den Anderen meide ich, das ist sehr unangenehm und schmerzt.

Überwindung gehört zum Alltag: Die öffentlichen Verkehrsmittel in den Stosszeiten benutzen, Auto fahren, telefonieren (wenn es nicht anders geht), an Sitzungen gehen, Unterbrechungen ertragen, Small-Talken, den Tag organisieren, die Anderen an mich heran lassen und verstehen versuchen.

Ich bin zufrieden mit mir selbst, ich bin gerne mit mir alleine, kann mich wunderbar mit mir beschäftigen. Tauschen möchte ich mit niemandem, schon gar nicht mit den Anderen.


Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Mein Autismus in 500 Worten“.

Alle Beiträge dieser Reihe kannst du hier nachlesen. Nähere Informationen zu dieser Reihe und dazu wie du dich beteiligen kannst findest du in diesem Artikel.

bestOfCrumbs (= aus Krümmeln das Beste machen) lebt und arbeitet in der Schweiz, ist verheiratet hat Kinder. An der Arbeit versucht er täglich, das Chaos in Datenbanken zu bändigen und seinen Kunden verständliche Reports zu liefern. Er liest sehr gerne oder programmiert zwischen durch mal etwas sofern es die Zeit erlaubt.
Außerdem ist er auf Twitter zu finden und bloggt.

One thought on “bestOfCrumbs – Mein Autismus – oder: Ich möchte nicht tauschen”

  1. kleinbea

    Da konnte ich mich recht gut wiederfinden. Hätte ich auch so schreiben können 🙂

    Super!

Comments are closed.